Facharzt-Service: «Eine Million Euro für 9000 Vermittlungen»Von Sandra Trauner, dpa

Kassenpatienten sollen schneller einen Termin beim Facharzt bekommen
- mit diesem Versprechen wurde vor rund einem Jahr ein bundesweites
Netz von Telefonvermittlern aufgebaut. Klappt das?

Frankfurt/Berlin (dpa) - Der kleine Junge hatte sich beim
Fußballspielen am Becken verletzt. Bevor er wieder auf den Bolzplatz
durfte, sollte ein Radiologe ihn untersuchen - aber der früheste
Termin war in fünf Wochen. «Die verzweifelte Mutter rief bei uns an»,

erzählt Stefanie Wagner, die bei der Terminservicestelle der
Kassenärztlichen Vereinigung Hessen
Patienten bei der Suche nach
einem Facharzt hilft: «Wir haben einen Termin in fünf Tagen besorgt.»

Solche Erfolgsgeschichten sind die Ausnahme. Knapp ein Jahr nach der
Einführung der Callcenter ist die Bilanz eher ernüchternd. Nach
Angaben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) liegt die Zahl
der Termine, die im ersten Jahr tatsächlich vermittelt wurden,
bundesweit unter 120 000 - bei 580 Millionen ambulanten
Behandlungsfällen pro Jahr.

Schneller zum Facharzt mit einem einzigen Telefonanruf - das war die
Idee. Das Bundesgesundheitsministerium hatte sie gegen erhebliche
Widerstände der Ärzteschaft durchgesetzt. Kassen-Patienten brauchen
dafür eine als dringlich eingestufte Überweisung vom Hausarzt. Dann
können sie sich seit Januar 2016 an die Kassenärztliche Vereinigung
ihres Bundeslandes wenden. Die Mitarbeiter müssen dem Patienten
innerhalb einer Woche einen Termin beim Facharzt vermitteln, auf den
der Patient dann maximal vier Wochen warten muss.

«Etwa die Hälfte der Anrufer erfüllt nicht die Voraussetzung für ei
ne Vermittlung», berichtet Stefanie Wagner: Sie hätten entweder gar
keine Überweisung oder die Überweisung habe nicht den Code, der sie
als dringlich ausweist. Viele Patienten, die anrufen, hätten «eine
falsche Erwartung und falsche Vorstellungen», sagt Wagner. Sie
wollten zum Beispiel am Wunschtag zum Wunscharzt. Auch dass Patienten
die Mitarbeiter am Telefon anlügen, hat sie schon erlebt.

In der HNO-Gemeinschaftspraxis am Klinikum Hanau arbeiten sieben
Hals-Nasen-Ohrenärzte. Zusammen behandeln sie mehr als 400 Patienten
am Tag, davon durchschnittlich 50 bis 60, die ohne Termin als
Notfallpatienten reinschneien. Kranke, die über die
Terminservicestellen den Weg zu Dr. Detlef Oldenburg und seinen
Kollegen fanden, musste man 2016 mit der Lupe suchen. «Über die
Terminservicestellen wurden 25 Patienten vermittelt», sagt Oldenburg,
«im ganzen Jahr! Und vier davon sind nicht gekommen.»

Entsprechend fällt sein Urteil aus. «Da hat man das Geld der
Versicherten sinnlos rausgeworfen», findet Oldenburg. Wenn ein
Patient dringend einen Facharzt-Termin brauche, sei es «praktische
Realität» seit Jahrzehnten, dass der Hausarzt einen Facharzt anrufe
und für den Kranken einen Termin vereinbare - je dringlicher, desto
schneller. Die Callcenter seien «Ressourcenverschwendung», die
Maßnahme des Bundesgesundheitsministeriums nichts als «Populismus».

Die Krankenkassen sehen das anders. «Die Terminservicestellen haben
sich insgesamt bewährt», findet die Vorstandsvorsitzende des
GKV-Spitzenverbandes, Doris Pfeiffer. «Wenn Woche für Woche mehr als
zweitausend Menschen über eine Terminservicestelle einen
Facharzttermin bekommen, weil es anders nicht geklappt hat, dann hat
sich deren Notwendigkeit bestätigt.»

«Gut, dass es die Terminservicestellen gibt», findet auch Eugen
Brysch von der Deutschen Stiftung Patientenschutz: «Jeder schnell
vermittelte Facharzttermin ist eine große Hilfe für den Patienten.»
Wie auch die Krankenkassen ist auch der Patientenschützer der
Meinung, dass die KVen eine Mitschuld tragen, dass das Angebot so
schlecht angenommen wird: «Service sieht anders aus.»

Die Kassenärztlichen Vereinigungen waren von Anfang an gegen diese
Idee. Nach einem Jahr fühlen sie sich bestätigt. In Hessen wurden
nach Zählung der KV seit der Einführung gerade mal rund 9000 Termine
vermittelt - im Durchschnitt 36 pro Arbeitstag. «Und das bei Kosten
von rund einer Million Euro», schimpft Vorstandsvorsitzender Frank
Dastych. «Das Missverhältnis zwischen Aufwand und Nutzen könnte nicht negativer sein.»

Die Zahl der Beschäftigten haben die Hessen bereits zurückgefahren.
Statt 10 wie beim Start im Januar 2016 hat die Terminservicestelle im
Januar 2017 nur noch 6,5 Mitarbeiter. Auch die Bitte, dass Fachärzte
Termine für die Kunden der Telefonservicestellen blocken sollen,
wurde gelockert, wie Vermittlerin Wagner berichtet: «Wir halten mehr
Termine vorrätig als wir Nachfragen haben.»

Liste der Terminservicestellen