Wohnung im fünften Stock - 80-Jähriger kämpft vergeblich um Aufzug Von Anja Semmelroch, dpa

Die meisten Menschen möchten im Alter in ihrer vertrauten Umgebung
wohnen bleiben. Aber nicht jedes Haus ist dafür gemacht. Und der
Anspruch auf Umbauten hat Grenzen, wie ein BGH-Urteil zeigt.

Karlsruhe/Cottbus (dpa) - Ein Rentner-Ehepaar aus einem Plattenbau in
Cottbus will auch im hohen Alter noch in seiner Eigentumswohnung im
fünften Stock leben können. Aber gegen einen Aufzug im Treppenhaus
sperren sich einige Nachbarn. Am Ende landet der Streit vor dem
Bundesgerichtshof (BGH). Sein Urteil vom Freitag zeigt deutlich, dass
sich beim Thema barrierefreies Wohnen nur schwer alle Interessen
unter einen Hut bringen lassen. Das Grundproblem bleibt: Die Menschen
werden immer älter - und viele Häuser sind dafür nicht gebaut. (Az. V

ZR 96/16)

Worüber haben sich die Nachbarn zerstritten?

Die Wohnung selbst gehört den Rentnern, aber ein Umbau im Treppenhaus
greift in das Gemeinschaftseigentum ein. Ohne Zustimmung der anderen
Wohnungseigentümer läuft daher nichts. Aber nicht alle unterstützen
das Vorhaben. Auf der Fläche unten im Schacht müssten Fahrräder und
Kinderwagen weichen, und bei einem Umzug kämen die Möbelpacker mit
dem Sofa oder der Schrankwand künftig wohl nicht mehr durchs
Treppenhaus. Der 80-jährige Ehemann versuchte es erst im Guten in der
Eigentümerversammlung. Als nichts zu machen war, zog er vor Gericht.

Warum ist der Fall auch für andere interessant?

Vor der Herausforderung, ihre Wohnung altersgerecht umzugestalten,
stehen immer mehr Menschen. Laut Deutschem Mieterbund sind nach
offizieller Schätzung nur 570 000 der elf Millionen Seniorenhaushalte
und ein bis zwei Prozent aller Wohnungen barrierearm. Im
ungünstigsten Fall bleibt nur der Umzug. In der vertrauten Umgebung
haben alte Menschen aber ihren Arzt, ihren Supermarkt, ihre Buslinie,
gibt Petra Uertz, Bundesgeschäftsführerin des Verbands Wohneigentum,
zu bedenken. «Diese Dinge geben Geborgenheit», sagt sie.

Welche Rechte gibt es auf Umbauten in Mehrfamilienhäusern?

Menschen, die zur Miete wohnen, haben seit 2001 bei «berechtigtem
Interesse» einen gesetzlich festgeschriebenen Anspruch auf die
Zustimmung ihres Vermieters zu einem behindertengerechten Umbau. «Das
geht von der Rampe am Eingang bis hin zum Treppenlift oder breiteren
Türen in der Wohnung», erläutert Ulrich Ropertz vom Mieterbund. Zuvor

hatte das Bundesverfassungsgericht im Jahr 2000 der Beschwerde eines
Mannes stattgegeben, der für seine gelähmte Lebensgefährtin beim
Vermieter keinen Lift durchsetzen konnte: Das Benachteiligungsverbot
gebiete, auch die Nutzungsinteressen des Mieters zu berücksichtigen.

Hat der neue Paragraf etwas gebracht?

Eher nicht, meint Ropertz. Denn die Interessen des Vermieters oder
anderer Mieter können trotzdem schwerer wiegen. Vor allem aber müssen
Betroffene die Investition selbst stemmen, für die laufenden Kosten
aufkommen und beim Auszug den Rückbau bezahlen. Das Geld kann der
Vermieter vorab als Sicherheit verlangen. Ein Aufzug würde damit
doppelt kosten. Ein Mieter kann so einen Aufwand realistischerweise
gar nicht betreiben - und ihn sich wahrscheinlich auch nicht leisten.
Noch schwerer hat es, wer in einer Eigentumswohnung zur Miete wohnt.
Er hat zwar den Anspruch gegenüber seinem Vermieter. Diesem sind ohne
Rückhalt in der Eigentümerversammlung aber die Hände gebunden.

Warum ist die Durchsetzung hier so schwierig?

Für Eigentumswohnungen gibt es im Gesetz keine eigene Regelung zur
Barrierefreiheit. Es gilt nur allgemein, dass Umbauten «beschlossen
oder verlangt werden» können, wenn alle zustimmen, deren Rechte
beeinträchtigt sind. Was das bei Konflikten genau bedeutet, war
bisher ungeklärt. In dem Fall aus Cottbus zieht der BGH jetzt die
Grenze: Einen Treppenlift oder eine Rollstuhlrampe für einen
Gehbehinderten müssen die Miteigentümer in aller Regel dulden,
entscheiden die Richter. Ein Aufzug sei aber eine andere Hausnummer:
Er bringe für die anderen Wohnungseigentümer so große Nachteile mit
sich, dass der Einbau über ihren Kopf hinweg nicht durchzusetzen ist.

Was bedeutet das für den 80-Jährigen?

Sein jahrelanger Kampf um den Aufzug ist gescheitert. «Wir sehen,
dass er wahrscheinlich auf absehbare Zeit seine Wohnung im fünften
Stock nicht mehr wird nutzen können», sagt die Vorsitzende Richterin
Christina Stresemann. Aber: «Das muss man hinnehmen.» Nach Auffassung
des Senats ist der Mann mit dem Erwerb der Wohnung ein absehbares
Risiko eingegangen. Das könne nun nicht zu Lasten der anderen gehen.

Ist damit das letzte Wort in der Sache gesprochen?

Nicht unbedingt. Der Politik steht die Möglichkeit offen, ältere
Menschen im Wohnungseigentumsgesetz besserzustellen. So etwas fordert
schon seit längerem der Verbraucherschutzverband Wohnen im Eigentum.