Trauer um Roman Herzog: «Unbequem im positiven Sinne»

Seine «Ruck-Rede» bleibt in Erinnerung. Unermüdlich forderte Roman
Herzog die Deutschen zu Reformen auf. Er war ein Konservativer, aber
auch ein kritischer Geist.

Berlin (dpa) - Mahner, Antreiber und Mutmacher: Der frühere
Bundespräsident Roman Herzog ist am Dienstag im Alter von 82 Jahren
gestorben. Das bestätigte das Präsidialamt in Berlin. Die Spitzen des
Staates und Politiker aus Regierung und Opposition würdigten ihn als
unermüdlichen Werber für Reformen und als manchmal unbequemen Geist.

Herzog stand von 1994 bis 1999 an der Spitze der Bundesrepublik.
Zuvor war der im bayerischen Landshut geborene Jurist und
CDU-Politiker Präsident des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe.

In seiner Amtszeit an der Spitze des Staates - es war vor allem die
Ära des damaligen Bundeskanzlers Helmut Kohl (CDU) - hatte Herzog
immer wieder vor Reformmüdigkeit gewarnt. Er machte es sich zur
Aufgabe, gegen Blockaden in Politik und Gesellschaft anzugehen.
Besonders in Erinnerung blieb seine Rede von 1997 mit dem zentralen
Satz: «Durch Deutschland muss ein Ruck gehen.»

Bundespräsident Joachim Gauck würdigte seinen Amtsvorgänger als
«freiheitsliebenden kritischen Geist und Mann der klaren Worte».
«Roman Herzog hat Reformbereitschaft angemahnt, als die
Bundesrepublik dieser Mahnung in besonderer Weise bedurfte», sagte
Gauck. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) betonte: «Seine unverwechselbare
kluge Stimme und seine Fähigkeit, Probleme offen zu benennen und
dabei Mut zu machen, wird mir und wird uns allen fehlen.»

Gauck wollte sich am Mittwoch im Schloss Bellevue in das
Kondolenzbuch für Herzog eintragen. Er ordnete einen Staatsakt an, um
von Herzog Abschied zu nehmen. Der Zeitpunkt stand noch nicht fest.

Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel erinnerte daran, dass Herzog sich
«mit deutlichen Worten für Integration und gegen jede Form von
Ausländerfeindlichkeit und Rechtsextremismus eingesetzt» habe. Die
Parteichefs der Grünen, Simone Peter und Cem Özdemir, würdigten ihn
als einen Bundespräsidenten, der «im positiven Sinne unbequem»
gewesen sei.

Die Vorsitzenden der Linkspartei, Katja Kipping und Bernd Riexinger
würdigten, dass Herzog sich mit der Einführung des «Tages des
Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus» am 27. Januar
bleibende Verdienste erworben habe.

Das Bundesverfassungsgericht hob die Leistung Herzogs als
Verfassungsrichter und Präsident des Gerichts hervor. Er habe «das
nicht immer einfache Amt des Präsidenten» in den teilweise
turbulenten Zeiten des Zusammenbruchs der DDR und der
Wiedervereinigung «mit großer innerer Souveränität herausragend»

ausgefüllt, teilte das Gericht in Karlsruhe mit.

Herzog starb in einem Krankenhaus in Bad Mergentheim
(Baden-Württemberg). Zuletzt lebte er auf der Götzenburg in
Jagsthausen bei Heilbronn mit seiner zweiten Ehefrau, Alexandra
Freifrau von Berlichingen. Seine erste Frau Christiane Herzog, die
sich auch nach der Amtszeit ihres Mannes sozial engagierte, war im
Juni 2000 gestorben.

Der am 5. April 1934 geborene Sohn eines Archivars hatte zunächst
eine juristische Karriere eingeschlagen und wurde bereits mit 31
Jahren Professor für Staatsrecht an der Freien Universität Berlin.
1970 trat er in die CDU ein. Seine politische Karriere in hohen
Ämtern begann er als Bildungs- und als Innenminister in
Baden-Württemberg.

1983 wurde Herzog zum Vizepräsidenten des Bundesverfassungsgerichts
berufen und vertrat dort eine eher liberale Linie. 1987 rückte er an
die Spitze des obersten Gerichts. 1994 wurde er als Nachfolger von
Richard von Weizsäcker zum 7. Bundespräsidenten gewählt.

Nach seinem Verzicht auf eine zweite Amtszeit als Bundespräsident saß
er in verschiedenen Kommissionen, darunter der «Konvent für
Deutschland», ein Expertengremium, das sich mit den Themen
Föderalismusreform und Finanzverfassung beschäftigte.

Herzog setzte sich auch nach seiner Amtszeit immer wieder kritisch
mit den Bürgern und Politikern auseinander. «Das Volk bewegt sich
nicht», sagte er im Frühjahr 2008 der «Bild»-Zeitung. Es gebe eine

gewisse Bereitschaft zu Reformen, «aber es bräuchte politische
Führung, echtes Charisma, um sie zu mobilisieren».

Mit dem Tod Herzogs hat die Bundesrepublik in relativ kurzer Zeit den
dritten Altbundespräsidenten verloren: 2015 starb Richard von
Weizsäcker, 2016 Walter Scheel.