Bertelsmann-Stiftung fordert Aus für Beamten-Beihilfe - Viel Kritik

Die meisten Beamten sind privat krankenversichert. Laut einer Studie
könnte durch einen Umbau des Systems viel Geld gespart werden. Doch
an der Erhebung gibt es harsche Kritik.

Gütersloh/Köln (dpa) - Der Staat könnte nach einer neuen Studie der
Bertelsmann-Stiftung in den nächsten 15 Jahren rund 60 Milliarden
Euro einsparen, wenn er die Beamten-Beihilfe zur Krankenversicherung
abschaffen würde. Denn dafür müssten Bund und Länder künftig imme
r
tiefer in die Tasche greifen, teilte die Stiftung am Dienstag in
Gütersloh mit. Der Beamtenbund dbb und der Verband der Privaten
Krankenversicherung (PKV) kritisierten die Studie heftig.

Beamte fallen nicht unter dieselbe Versicherungspflicht in der
gesetzlichen Krankenkasse wie Arbeitnehmer, die ab einem
Jahresbruttoeinkommen von 57 600 Euro (2017) befreit sind. Da der
Staat für Beamte über die Beihilfe die Hälfte - bei Pensionären 70

Prozent - der Krankheitskosten übernimmt, hätten sie oft günstigere
Prämien bei der privaten Versicherung. Auch deswegen seien rund 85
Prozent der Staatsdiener privat versichert, so die Stiftung.

Der Studie zufolge werden sich die jährlichen Ausgaben für die
Krankenversorgung von Beamten und Pensionären bis 2030 auf geschätzte
20,2 Milliarden Euro fast verdoppeln. 2014 gaben Bund und Länder
knapp 12 Milliarden Euro dafür aus. Unterlägen Beamte genau wie
Arbeitnehmer der gesetzlichen Krankenversicherungspflicht, addiere
sich das Einsparpotenzial bis 2030 auf 60 Milliarden Euro.

Durch eine Einführung einer allgemeinen Versicherungspflicht müssten
zwei Drittel der bislang 3,1 Millionen privatversicherten Beamten und
Pensionäre in eine gesetzliche Kasse wechseln, weil sie unter der
Einkommensgrenze liegen, so die Stiftung. Weitere 20 Prozent würden
darüber hinaus finanziell von einem Wechsel profitieren.

dbb-Chef Klaus Dauderstädt wies den Vorstoß der Bertelsmann-Stiftung
am Rande der Jahrestagung in Köln entschieden zurück: «Ich kann nur
allen dringend raten, den Beipackzettel einer solchen Reform
gründlich zu lesen und auf die vielen Risiken und Nebenwirkungen zu
achten.» Die Beihilfe gehöre zum Gesamtpaket der Alimentation von
Beamten durch ihren Dienstherrn. Nur dadurch werde die
Wettbewerbsfähigkeit mit der Wirtschaft sichergestellt. 

Die Prognose zur Kostensteigerung bei der Beihilfe sei schwer
nachzuvollziehen. «Da scheint überall viel Spekulation
drinzustecken.» Zum Beispiel unterstelle die Studie für die
gesetzliche Krankenversicherung immense Beitragsmehreinnahmen. Die
Hälfte davon hätten aber die öffentlichen Dienstherren analog zum
Arbeitgeberanteil zu tragen, so Dauderstädt.

PKV-Direktor Volker Leienbach verwies darauf, dass die Stiftung auch
nach eigenen Angaben die verfassungsrechtlichen Fundamente des
geforderten Umbaus der Gesundheitsabsicherung gar nicht geprüft habe.
«Eine solche «Studie» ist auf Sand gebaut und kann schon im Ansatz

nicht ernst genommen werden.» Sie blende wesentliche Kostenfaktoren
aus. «Die unvollständige Datenauswahl ist augenscheinlich von der
Absicht geprägt, zu einem von vornherein gewünschten Ergebnis zu
gelangen», hieß es von der PKV.

«So beziffert die Studie zwar die vermeintlichen Einsparungen der
Staatshaushalte bis 2030 durch die Verlagerung der Kosten für die
Versorgung der Beamten auf die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV).
Sie verschweigt aber die Auswirkungen auf die GKV-Versicherten im
selben Zeitraum.» Dabei ist nach PKV-Darstellung «absehbar, dass die
GKV-Versicherten durch steigende Beitragssätze mittel- und
langfristig wesentlich stärker belastet würden».

Dagegen sprach sich der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) für eine
Versicherungspflicht für Beamte in der gesetzlichen
Krankenversicherung aus. «Das ist sowohl ein Schutz für die
Beamtinnen und Beamten vor den explodierenden Prämienkosten der
privaten Krankenversicherung als auch insgesamt eine Entlastung für
die öffentlichen Haushalte», sagte das DGB-Vorstandsmitglied Annelie
Buntenbach.

Die Grünen-Gesundheitsexpertin Maria Klein-Schmeink wertete die
Studie als Nachweis, dass die PKV durch die Regelungen für die
Beamten künstlich staatlich alimentiert werde. Sie forderte eine
Bürgerversicherung, die zu mehr Wahlfreiheit für die Beamten führe.