Ärger um Apothekenversandhandel - DocMorris plant nächsten Angriff Von Annika Grah, dpa

Zehn Jahre ist es her, dass die Versandapotheke DocMorris mit einer
eigenen Filiale auf den deutschen Markt drängte. Viele
Gerichtsurteile später ist der Widerstand der Apotheker ungebrochen.
Und DocMorris steht kurz vor dem nächsten Versuch.

Hüffenhardt/Saarbrücken (dpa) - Für den Bürgermeister der
nordbadischen Gemeinde Hüffenhardt ist es ein Segen. 30 Jahre lang
habe es eine Apotheke am Ort geben, sagt Walter Neff. Als der Inhaber
vor zwei Jahren in den Ruhestand ging, fand sich kein Nachfolger.
«Dann kam DocMorris.» Der Versandhändler will in der
2000-Seelen-Gemeinde gut 20 Kilometer nordwestlich von Heilbronn
seine erste Automatenapotheke mit Videoberatung installieren. Online
bestellte Arzneimittel sollen dorthin bestellt werden können. Kein
Apotheker, sondern ein Manager soll sie den Kunden übergeben. Klingt
nach einem guten Plan? Außerhalb der Gemeinde regt sich angesichts
der für Januar geplanten Eröffnung Skepsis.

Bei der Landesapothekerkammer Baden-Württemberg sieht man die
Einrichtung nicht nur rechtlich kritisch. Von Rosinenpickerei ist die
Rede, denn der Automat, bei dem nur bestellte Medikamente abgeholt
werden können, leiste keine Nacht- und Feiertagsdienste. «Sie
entziehen sich den Gemeinwohlpflichten», sagt ein Sprecher. Die
Versorgung der Gemeinde sei längst geregelt. Es gebe eine
Rezeptsammelstelle einer Apotheke in der Umgebung, die die
Arzneimittel auch nach Hause liefere. Bürgermeister Neff wendet ein,
dort fehle die Beratung, für die DocMorris Apotheker per Video
zuschaltet.

Beim Regierungspräsidium Karlsruhe ist man noch zurückhaltend. Bis
vor Weihnachten sei kein Antrag auf Betriebserlaubnis eingegangen. Es
sei noch zu prüfen, ob das bei dem Konzept notwendig sei. Wenn dort -
wie geplant - Arzneimittel gelagert würden, müsse es eine Anzeige
nach dem Arzneimittelgesetz geben. Darüber hinaus gebe es Beratungs-
und Dokumentationspflichten, die eingehalten werden müssten.

Klar ist: Mit dem Plan bekommt der Jahre währende Streit um DocMorris
um den Apothekenversandhandel neue Nahrung - und die Gerichte wieder
Arbeit. 2003 erlaubte der Europäische Gerichtshof den
grenzüberschreitenden Arzneimittelverband. Genau zehn Jahre ist es
her, dass der damals noch niederländische Versandhändler seine erste
Filiale in Saarbrücken eröffnete.

Zwei Jahre und ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) sp
äter
wurde die Filiale zunächst geschlossen. Denn in Deutschland sind
wegen des sogenannten «Fremdbesitzverbots» Apothekenketten von
Unternehmen untersagt. Nur Pharmazeuten mit Kammerzulassung dürfen
Apotheken und bis zu drei Filialen betreiben. DocMorris, zu dem
Zeitpunkt Tochter des Pharmahändlers Celesio, fand dennoch einen Weg,
die Filiale wieder zu öffnen. Die angestellte Apothekerin übernahm
den Laden und benutzte DocMorris lediglich als Marke. Noch heute gibt
es DocMorris-Apotheken, die den Markennamen nutzen. Sie verschwinden
allerdings nach und nach, weil die Lizenzen nur für einige Jahre
gewährt wurden.

Den Pharmahändler Celesio kostete der Ausflug in den Direktvertrieb
zeitweise 30 Prozent seiner Kunden. 2012 verkauften die Stuttgarter
DocMorris auch auf Druck der Apotheker an die Schweizer «Zur Rose»-
Gruppe. Doch der Streit um den Versandhandel in Deutschland war damit
nicht vorbei.

Erst im Oktober entschied der EuGH erneut und erlaubte
Versandhändlern Gutschriften für eingereichte Rezepte. Bislang waren

Rabatte für verschreibungspflichtige Medikamente in Deutschland
verboten. Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) kündigte
postwendend an, Versandhandel mit rezeptpflichtigen Medikamenten
komplett zu verbieten. Ein solches Verbot würde nicht nur die
Automaten-Apotheke von DocMorris in Hüffenhardt unmöglich machen. Von
den gut 20 000 Apotheken in Deutschland haben knapp 3000 eine
zusätzliche Versandhandelserlaubnis.

Rechtsexperten geben dem Gesetz allerdings wenig Erfolgschancen: «Der
EuGH würde das wieder kippen», ist sich Ivo Bach von der
Universität Göttingen sicher. Es sei sehr schwer nachzuweisen, dass
die Versorgung in der Fläche dadurch leide.

Das ist das Argument der Apotheker. Durch den Versandhandel aus dem
Ausland, werde Apotheken in entlegenen Gebieten die Grundlage für
einen wirtschaftlichen Betrieb entzogen. Denn sie stellten durch
Botendienste oder Rezeptsammelstellen die Versorgung bereits sicher,
heißt es bei der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände.

Und die Automatenapotheke? «Über die Jahre hat DocMorris es immer
wieder geschafft, sich durchzusetzen», sagt Askan Deutsch,
Wettbewerbsrechtler bei der Kanzlei FPS in Hamburg. Grundsätzlich sei
die telefonische Beratung durch DocMorris rechtens, wenn keine
weiteren Kosten entstehen. Ein Problem könnte die
Dokumentationspflicht für verschreibungspflichtige Medikamente sein.
«Das scheint DocMorris dadurch zu umgehen, dass nur die Beratung über
Videoterminals geschieht und der Versand von einer Apotheke per
Versandhandel an einen beliebigen Ort durchgeführt wird.» Ob das
rechtens sei, hänge am Ende vom Bestellprozess ab.

Ob die Hüffenhardter die Videoberatung annehmen, ist offen.
Bürgermeister Neff ist sich sicher. Allein: «Alles Neue braucht seine

Zeit.»