Großer Bedarf an muslimischen Seelsorgern in Großstadt-Gefängnissen

In einigen westdeutschen Haftanstalten ist jeder vierte Häftling
muslimischen Glaubens. Doch das Angebot an islamischer Seelsorge im
Strafvollzug ist bundesweit noch gering. Das soll sich ändern.

Berlin (dpa) - Die Bundesregierung und die Islam-Verbände sehen einen

wachsenden Bedarf an islamischer Seelsorge in deutschen Gefängnissen,
Krankenhäusern und bei der Bundeswehr. Das Problem ist nur: Bislang
gibt es bundesweit noch nicht genug Theologen mit anerkannten
Abschlüssen, die diese Aufgaben übernehmen könnten. 

Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Günter
Krings (CDU), warnte am Montag in Berlin bei einer Tagung der
Deutschen Islamkonferenz (DIK) davor, Seelsorger mit zweifelhaftem
Hintergrund zu beschäftigen: «Allzu improvisierte Lösungen laufen
Gefahr, auf Dauer das Gegenteil zu bewirken.» Kai Abraham von der
Berliner Senatsverwaltung für Justiz sagte: «Wir mögen Abschlüsse,

Abschlüsse beruhigen uns.»

Die seelsorgerische Betreuung muslimischer Häftlinge sei nicht
alleine ein Instrument der Radikalisierungsprävention, erklärte
Krings. Dies könne aber ein «erwünschter Begleiteffekt» sein. Und
zwar vor allem da, wo die Gefahr bestehe, dass radikale Gefangene
Mithäftlinge beeinflussen. Die Seelsorge dürfe nicht «als Instrum
ent
der Gewaltprävention verstanden werden», betonte Erol Pürlü,
Dialogbeauftrager des Verbandes der Islamischen Kulturzentren (VIKZ).

An der DIK-Tagung nahmen auch Mitarbeiter des hessischen
Justizministeriums teil, das im vergangenen April ein
«Netzwerk Deradikalisierung im Strafvollzug» eingerichtet hatte. «W
ir
setzen in allen Haftanstalten Imame ein, denen wir Stundenhonorare
zahlen», sagte der Leiter der Stabsstelle, Uwe Röhrig. In anderen
Bundesländern werden auch Ehrenamtliche eingesetzt, die zum Teil eine
Aufwandsentschädigung erhalten.

An der Universität Osnabrück gibt es einen neuen Studiengang für
Sozialarbeiter im muslimischen Umfeld. Abdelmalek Hibaoui vom Zentrum
für Islamische Theologie an der Universität Tübingen sagte, im
Justizvollzug gebe es großes Interesse an qualifizierten muslimischen

Seelsorgern. Die Studiengänge für islamische Theologie seien in
Deutschland aber noch sehr jung. Er sagte: «Wir fühlen uns auch ein
bisschen überfordert.»

Für die mehr als 1500 Muslime bei der Bundeswehr gibt es bislang
keine eigenen Seelsorger. Sie können sich mit ihren Fragen aber an
eine Stelle für Angehörige anderer nicht-christlicher
Religionsgemeinschaften beim Zentrum Innere Führung in Koblenz
wenden. Wenn Muslime oder ihre Vorgesetzten dort anrufen, geht es
nach Auskunft von Oberfeldwebel Hülya Süzen häufig darum, wo es am
neuen Standort eine «soldatenfreundliche Moschee» gebe und wie man im
Dienst die Fastenregeln einhalten könne.

Der Militärische Abschirmdienst (MAD) hat mindestens 20 Islamisten in
der Bundeswehr enttarnt. Darüber hinaus würden 60 Verdachtsfälle
verfolgt, hatten die Zeitungen der Funke Mediengruppe am vergangenen
Samstag berichtet. In «islamistischen Kreisen» werde der Dienst in
der Bundeswehr befürwortet, um den Umgang mit Waffen zu lernen. Es
bestehe die Besorgnis, «dass gewaltbereite Extremisten der Propaganda
Folge leisten».