«Singin' In The Rain» - Der November hat auch seine Stärken Von Sabine Dobel, dpa

Dunkle Tage, die sich bleiern aufs Gemüt legen: November. Aber der
ungeliebte Monat hat auch gute Seiten. Eine optimistische Suche nach
den Pluspunkten.

München (dpa) - Grau, nass, kalt. Der November gilt als scheußlichste
Zeit im ganzen Jahr. Gleich am ersten Tag dieses trübseligen Monats
werden auf Friedhöfen die Gräber für Allerheiligen und Allerseelen
hergerichtet. Mancher verfällt in depressive Verstimmung. Viele sind
schlapp, niedergeschlagen - und haben Heißhunger auf Fettes und
Süßes. Nicht schön. Aber der November ist gar nicht so schlecht. Der

Filmschlager «Singin' In The Rain» bezieht sich auf das Wetter, das
im November vorherrscht, die Rockband Guns N' Roses landete mit
«November Rain» einen Hit. Und auf der Südhalbkugel ist genau jetzt
Frühling.

URLAUB

Nebensaison. Flüge, Hotels, leere Strände - und das oft zum
Schnäppchenpreis. Die meisten haben ihren Urlaub samt Urlaubsgeld
verbraucht. «In der Regel hat man eine gute Auswahl und kann ein
bisschen entspannter Urlaub machen als in der Hauptsaison», sagt
Sibylle Zeuch vom Deutschen Reiseverband DRV. «Es ist eine
ungewöhnliche, aber sehr interessante Reisezeit.» Am Mittelmeer gibt
es mildere Temperaturen und mehr Sonne als hier. In den Emiraten oder
in Ägypten lockt Badewetter - und auf der Südhalbkugel herrscht
schönster Frühling. Dennoch, Vorsicht: Nicht überall ist es jetzt
besser als bei uns. In der Karibik herrscht gerade Hurrikansaison.

FREIE FAHRT

Blechlawine Richtung Ausflugsziele - vorbei. Motorräder auf kurvigen
Bergstraßen - verschwunden. Freie Fahrt und freie Parkplätze belohnen
diejenigen, die jetzt aufbrechen. Wanderer haben die Bergwelt für
sich. Inlineskater und Radler haben ihre Sportgeräte eingemottet, auf
Waldwegen kehrt Ruhe ein. Der im Sommer überlaufene Badesee wird zum
Ort für erholsame Spaziergänge. Und bietet Platz für Hartgesottene,
die im Neopren ins Wasser steigen.

CHILLEN

Depressionen? Stimmt. Der Winterblues ist keine Einbildung. Jeder
vierte Deutsche spüre eine Verstimmung, sagt Iris Hauth, Präsidentin
der Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie,
Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN). Zwei bis fünf Prozent der
Bevölkerung bekommen eine saisonal bedingte Depression. Sind
«gewöhnliche» Depressive häufig appetitlos und können nicht schla
fen,
haben Winterdepressive Hunger auf Süßes und Kohlenhydrate - und ein
höheres Schlafbedürfnis. Bei Lichtmangel wird mehr vom Schlafhormon
Melatonin ausgeschüttet. Die verhaltene Stimmung kann aber auch
helfen, zur Ruhe zu kommen. «Mehr Muße zu haben - das haben ja viele
Menschen verloren. Da kann es hilfreich sein, dem einmal
nachzugeben.» Mit dem Innehalten komme das Gehirn in einen anderen
Modus, in dem es Erlebtes verarbeiten kann. Eine Chance im November.

GRIPPE

Ist noch nicht da. Sie breitet sich von Osten aus und erreicht unsere
Breiten meist erst im Januar. Zugegeben: Trotzdem schnupfen und
husten viele - aber es ist meist noch keine richtige Grippe.

POLLEN

Menschen mit Pollenallergie bietet der November eine Verschnaufpause.
«Das ist wirklich eine pollenarme Zeit», sagt der Diplom-Meteorologe
Gerhard Lux vom Deutschen Wetterdienst (DWD). Die letzten stark
allergenen Pollen sind die der Ambrosia, die noch im Oktober fliegen,
Ende Dezember geht es manchmal mit Hasel und Erle schon wieder los.
Der Klimawandel hat die Blühzeiten verschoben - die Pause ist kürzer
geworden.

MÜCKEN & MILBEN

Die Blutsauger: auch verschwunden. Wer es dick eingemummelt auf der
Terrasse aushält oder trendig zum Wintergrillen einlädt, muss keine
Mücken fürchten. Bei der Gartenarbeit bleibt man von Zecken und
Milben verschont. Das Beste dabei: Viel ist im Garten nicht mehr zu
tun. Pause für Rasenmäher und Häcksler - und Ruhe für die Nachbarn.


BIKINI

Auch mit Mühe gelingt es nicht, den November in einen angenehm lauen
Monat umzudeuten. Aber er ist im Zuge des Klimawandels wärmer
geworden. Um rund 0,4 Grad ist die Temperatur im Schnitt angestiegen.
Die Temperatur lag (1961 bis 1990) im Mittel bei 4,0 Grad Celsius.
Dafür muss sich niemand Sorgen machen um die Bikini-Figur. Pullover
verbergen unvorteilhafte Speckröllchen. Das feucht-kalte Wetter macht
allerdings Rheumatikern zu schaffen. Auch Asthmatiker leiden teils
mehr, denn es wird geheizt, die Emissionen schlagen auf die
Bronchien. Dafür ist es daheim am Ofen besonders gemütlich.

BUNT

Die Meteorologen haben bisher keine Abnahme von Nebel und Regentagen
festgestellt. «Der November ist der Monat, der die meiste Bewölkung
hat», sagt Gerhard Lux. Aber grau? Sobald die Sonne herauskommt,
leuchten die Wälder oft noch goldgelb, orange und rot. Der Indian
Summer lockt in den USA mit strahlenden Farben Touristen von weither
an.

BABYBOOM

Jetzt werden bundesweit die meisten Kinder gezeugt. Jedenfalls
schnellen die Geburtenzahlen nach Daten des Statistischen Bundesamtes
seit Jahren regelmäßig im Juli, teils auch im August, nach oben. In
den 1960er Jahren kamen die meisten Babys noch im Frühjahr zur Welt.
Warum sich der Zeugungs-Peak vom Sommer auf den November verschoben
hat, ist unklar. Möglicherweise sei die Gesellschaft früher stärker
landwirtschaftlich geprägt und naturverbundener gewesen, meinen
manche.

WEIHNACHTEN

In den Supermärkten türmen sich schon Lebkuchen und Stollen. Aber bis
zum Weihnachtsstress mit Geschenksuche, Christbaum und Familienkrach
ist noch ein paar Wochen Zeit. Allein das ist für manchen ein
Pluspunkt. Der Dichter Hans Retep lobte: «November, November, ein
Wetter unnennbar, so trübe, so grau und so kalt. Jetzt kommt es noch
schlimmer, so kommt es ja immer, denn sieh: Es weihnachtet bald.»