Studie: Blutdruck steigt bei Lärm und schlechter Luft

An Autobahnen und Kreuzungen, in Städten mit viel Verkehrslärm und
Fabriken lebt es sich deutlich ungesünder. Das überrascht nicht
wirklich. Die gesundheitlichen Folgen für Menschen in betroffenen
Region werden einer Studie zufolge jedoch nach wie vor unterschätzt.

Düsseldorf (dpa) - Luftverschmutzung und Straßenlärm können sich au
f
Dauer negativ auf den Blutdruck der Menschen in den betroffenen
Regionen auswirken. Das ist das Ergebnis einer europaweiten
Untersuchung, die am Dienstag im «European Heart Journal»
veröffentlicht wurde. Dabei wurden mehr als 41 000 Probanden in fünf
Ländern bis zu neun Jahre beobachtet. «Beide Umweltfaktoren sind in
separaten Analysen mit dem Auftreten einer Hypertonie assoziiert»,
sagte die Studienleiterin Barbara Hoffmann vom Institut für Arbeits-,
Sozial- und Umweltmedizin der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf.

Das Risiko bestehe bereits bei Konzentrationen deutlich unterhalb der
gültigen EU-Grenzwerte, betonte Hoffmann. «Die Grenzwerte reichen
nicht aus. (...) In der Konsequenz kann die aktuelle Gesetzgebung die
Bevölkerung nicht ausreichend vor den nachteiligen Folgen der
Luftverschmutzung schützen.»

Getestet wurden Teilnehmer aus Norwegen, Schweden, Dänemark, Spanien
und Deutschland, die zu Beginn der Untersuchung weder über
Bluthochdruck klagten noch Medikamente einnahmen. Bei mehr als 6200
(15 Prozent) hatte sich nach mehrjähriger Beobachtung nach Angaben
der Probanden Bluthochdruck entwickelt. In Deutschland wurde das
Ruhrgebiet (Mülheim, Essen und Bochum) ebenso untersucht wie die
Region Augsburg.

Der Feinstaub wurde bei den Tests in den europäischen Regionen in
verschiedenen Größenklassen gemessen: Die kleinsten Teilchen waren
bis zu 2,5 Mikrometer (PM2,5) groß, die größeren bis zu 10
Mikrometer. Ebenso gemessen wurden Rußteilchen und Verkehrsdichte im
Umkreis um die Wohnadresse der Probanden. Das Ausmaß des
Straßenverkehrslärms wurde den EU-Lärmkartierungen entnommen.

Pro fünf Mikrogramm PM2,5-Partikel je Kubikmeter Luft nimmt das
Risiko für Bluthochdruck der Studie zufolge um 22 Prozent zu. Diese
Menge entspreche ungefähr dem Unterschied zwischen dem am stärksten
verschmutzten und dem saubersten Viertel einer Stadt. Hoffmann:
«Höhere Rußkonzentrationen erhöhen ebenfalls das Erkrankungsrisiko.
»

In einer weiteren Analyse dieser Studie wurde zum Start bei knapp
11 000 Probanden kein erhöhter Blutdruck gemessen. Rund 3500 von
ihnen wiesen bei einer späteren Messung schließlich höhere
Bluthochdruckwerte auf. In dieser kleineren Gruppe von Teilnehmern
konnten jedoch keine Zusammenhänge zwischen Luftqualität, Lärm und
gemessener Hypertonie beobachtet werden. Hoffmann begründet dies
unter anderen damit, dass der strenge Grenzwert von 140 zu 90 mmHg
bei einer einmaligen Messung im Studienzentrum bei vielen Probanden
aufgrund von Aufregung zu einer falschen Hypertonie-Diagnose geführt
haben könnte, was das Ergebnis verzerrt.

Auch andere Studien hatten einen Zusammenhang zwischen Verkehrslärm,
Luftverschmutzung und Herzkreislauferkrankungen nachgewiesen. Vor
allem nächtlicher Lärm und das Einatmen kleiner Feinstaubpartikel bis
2,5 Mikrometer stehen in Zusammenhang mit Verkalkungen und
Verhärtungen an der Hauptschlagader, wie eine Analyse von Medizinern
des Westdeutschen Herzzentrums in Essen 2013 zeigte. Kardiologen, die
das Risiko für Herz- und Gefäßkrankheiten ihrer Patienten berechnen,

sollten neben den hinlänglich bekannten Faktoren wie Rauchen,
Übergewicht oder Bluthochdruck auch die Lärm- und Smogbelastungen
einbeziehen, sagte der verantwortliche Herzmediziner Hagen Kälsch.

Die derzeitigen Grenzwerte in der EU sind Hoffmann zufolge ein
Kompromiss auf Basis alter Studien. «Es ist eben ein
gesellschaftlicher Abwägungsprozess, in den man die gesundheitlichen
Folgen und die Kosten einbezieht.»