Faszination Mars: Europa und Russland suchen Leben auf Wüstenplaneten Von Wolfgang Jung und Thomas Körbel, dpa

Die USA und Russland sind immer noch führend in der Raumfahrt. Doch
Europa holt mit seiner Mars-Mission mächtig auf. Das große Ziel:
Eines Tages sollen Menschen über den Planeten laufen. Entdeckt die
europäisch-russische ExoMars-Expedition Hinweise auf Leben?

Moskau (dpa) - Es ist ein kleiner Schritt für die Erforschung des
Universums, aber ein großer Schritt für Europa. Mit dem ehrgeizigen
Projekt ExoMars meldet der Alte Kontinent endgültig ernsthafte
Ansprüche an beim internationalen Wettrennen zum Roten Planeten.
Bereits vor der für Mittwochabend geplanten Mars-Landung der Sonde
«Schiaparelli» galt als sicher, dass Europas Raumfahrtagentur Esa
künftig stärker mitmischen will beim Erforschen des Himmelskörpers.


Längst ist der Wettbewerb eröffnet: In Amerika und China, das am
Mittwoch zwei Taikonauten in sein Raumlabor «Tiangong 2» schickte,
tüfteln Wissenschaftler an Mars-Missionen. Technikpioniere wie
US-Unternehmer Elon Musk wollen Menschen dorthin schicken - wie im
Film «Der Marsianer». Auch US-Präsident Barack Obama gibt ehrgeizige

Ziele vor: «Bis 2035 sollen Astronauten auf dem Mars landen.»

Für Europa und seinen deutschen Raumfahrtchef Jan Wörner ist Phase
Eins von ExoMars der Schlussakkord eines bemerkenswerten Jahres. Nach
der spektakulären Erkundung des Kometen «Tschurjumow-Gerassimenko»
soll die Expedition die Grundlage sein für die Mars-Erforschung mit
einem Fahrzeug. «Schiaparelli» und der zugehörige Satellit «Trace G
as
Orbiter» (TGO) sind nämlich nur die Vorhut: «2020 wollen wir mit
unserem russischen Partner Roskosmos einen Rover zum Mars schicken»,
sagt Wörner.

Das Ziel ist klar: Die Esa mit Sitz in Paris will sich als seriöser
Partner zeigen. «Mit einem erfolgreichen ExoMars-Programm dürfte
Europa die Tür für weitere internationale Projekte offenstehen», sagt

der Chef der russischen Raumfahrtbehörde Roskosmos, Igor Komarow.

In ExoMars investiert die Esa 1,3 Milliarden Euro, eine weitere
Milliarde kommt Schätzungen zufolge von Roskosmos. Die ungewöhnliche
Zusammenarbeit zwischen Europa und Russland war entstanden, weil sich
die USA 2012 aus finanziellen Gründen zurückgezogen hatten. Allen
politischen Spannungen zum Trotz, fand die Esa mit Moskau einen neuen
Partner, um Europas erste erfolgreiche Mars-Landung anzugehen.

Auf dem Mars landen: Was so schlicht klingt, ist ein schwieriges
Unterfangen. Dutzende Sonden haben in den vergangenen 50 Jahren eine
solche Landung versucht. Manche flogen vorbei, andere zerschellten
auf der Oberfläche. Erfolgreich waren nur acht US-Module und ein
sowjetisches Messgerät, das aber schnell den Betrieb einstellte.

Europa versuchte es 2003 mit «Beagle 2», doch die Sonde sendete nie
Daten zur Erde. Die Faszination für den rötlich schimmernden Planeten
ist bei Laien und Experten dennoch ungebrochen. «Aber bis Raumfahrer
den Sonden folgen, wird noch viel Zeit vergehen. Eine bemannte
Mission ist teuer und gefährlich», sagt der russische Wissenschaftler
Igor Mitrofanow.

Doch ExoMars lässt die Vision näher rücken. Denn der Satellit «Trac
e
Gas Orbiter» soll in den kommenden Jahren in der dünnen Gashülle des

Mars nach Stoffen suchen, die von einfachen Lebensformen stammen
könnten. Von besonderem Interesse ist Methan, das auf der Erde keinen
guten Ruf hat, weil es als Treibhausgas den Klimawandel forciert. Auf
der Erde wird das Spurengas auch von Bakterien freigesetzt. Könnte es
sein, dass es auf dem Mars Mikroorganismen gibt?

«ExoMars ist ein weiterer Versuch, eine der schwierigsten Fragen zu
lösen, die auch viele Raumsonden nicht beantworten konnten: Gab oder
gibt es Leben auf dem Mars, der vermutlich vor rund vier Milliarden
Jahren mit Wasser bedeckt war?», sagt Oleg Orlow vom Moskauer
Institut für biomedizinische Probleme. Gerätselt wird darüber
spätestens seit der Beobachtung von Giovanni Schiaparelli, der dem
600 Kilogramm schweren ExoMars-Landemodul seinen Namen leiht.

Der italienische Astronom entdeckte um 1877 per Teleskop dunkle
Linien auf der Mars und bezeichnete sie als «canali» (Kanäle). Auf
der Erde führte dies zu Spekulationen über mögliche Lebewesen dort.
Wasser und Leben stehen im Zentrum der Marsforschung, seit Experten
den Nachbarplaneten als roten Punkt am Himmel sehen können.

Auch bei der zweiten Phase von ExoMars dreht sich alles darum. Der
Rover, der 2020 zum Mars fliegen soll, bekommt einen Bohrer, mit dem
er in tiefe Schichten des Gesteins eindringen und in Proben nach
biologischen Molekülen suchen soll. Bei Esa und Roskosmos laufen die
Vorbereitungen bereits, doch die Arbeit ist kompliziert.

Denn anders als bei «Schiaparelli», das unter Esa-Leitung entwickelt
wurde, ist der Bau des Landemoduls für den Rover ein echtes
Gemeinschaftswerk. «Jedes Mal, wenn Russland auch nur eine Schraube
auf dem Raumschiff ändert, müssen wir prüfen, ob wir bei unserem
Beitrag etwas anpassen müssen. Und umgekehrt», sagt Esa-Experte Jorge
Vago. «Das macht die Herausforderung größer.» Das Wichtigste sei ab
er
zunächst eine erfolgreiche Landung von «Schiaparelli», betont er.