Im Bann des Schrittzählers Von Andrea Barthélémy, dpa

Schrittzählende Armbänder liegen im Trend. Erste Studien untersuchen

nun ihre Wirksamkeit. Doch spornen die elektronischen Helferlein
wirklich an, sich mehr zu bewegen?

Washington (dpa) - Ob beherzt drauf los schreitende Menschen im Park
oder Fußballmütter, die am Spielfeldrand ihre Sprösslinge anfeuern
und dabei auf der Stelle marschieren: Digitales Schrittezählen ist
angesagt in den USA und das Fitness-Armband aus dem Alltag vieler
kaum noch wegzudenken. Eine Aussage wie «Gestern hab ich 12 000
geschafft» erntet ohne weitere Nachfrage anerkennendes Nicken. Wer es
diskreter mag, der greift zur Smartwatch, auf deren Ziffernblatt sich
dort, wo früher die Datumsanzeige war, ein Schrittzähler versteckt.
Und auch in Deutschland vertrauen viele Menschen auf die digitalen
Fitness-Helferlein am Handgelenk.

Doch in die allgemeine Begeisterung über die neuen Gadgets, von denen
2015 alleine in den USA mehr als 13 Millionen verkauft wurden, mischt
sich erster Frust. Denn nicht immer scheinen Fitnessgewinn und
Gewichtsverlust einzutreten wie erhofft. Eine Nutzerin berichtet:
«Ich habe festgestellt, dass mein Armband auch Schritte zählt, wenn
ich mir die Zähne putze.»

Wie verlässlich und hilfreich sind die Daten, die erhoben werden?
Spornen sie nicht zumindest zu mehr Bewegung an? Immerhin zeigte
eine Studie zu Jahresbeginn, dass die Nutzer von Fitness-Armbändern
nach sechs Wochen im Durchschnitt 970 Schritte mehr pro Tag gehen als
zuvor ohne Armband. Doch offenbar gilt der Motivationsschub nicht für
jede Zielgruppe.

Einer jetzt im Fachjournal «Jama» veröffentlichten Studie zufolge
nimmt man mit den Armbändern nicht zwingend ab. Für die Untersuchung

machten fast 500 junge Übergewichtige eine Langzeitdiät und bekamen
dazu Sportempfehlungen. Nach 6 Monaten erhielt die Hälfte von ihnen
noch Fitnessarmbänder, die für einen zusätzlichen Bewegungsanreiz
sorgen sollten.

Im Ergebnis speckte die Armband-Gruppe jedoch 3,5 Kilogramm weniger
ab als die Vergleichsgruppe. «Unter jungen Erwachsenen mit einem
Body-Mass-Index zwischen 25 und 40 bewirkte das Hinzufügen eines
tragbaren technischen Hilfsmittels im Vergleich zu einer
Standard-Intervention über 24 Monate einen geringeren
Gewichtsverlust», resümieren die Forscher der Uni Pittsburgh.

Hauptautor John Jakicic hat dafür zwei mögliche Erklärungen: «Es
könnte sein, dass die Leute denken: Ich war jetzt so aktiv, also kann
ich auch einen Cupcake essen.» Andererseits sei ein solches Armband
auch nicht für jeden motivierend - wer an Trainingszielen häufig
scheitere, werde eher frustriert.

David Ellis, Psychologe an der Lancaster Universität, sagte der
BBC: «Fitness Tracker werden häufiger von Leuten gekauft, die bereits

einen gesunden Lebensstil führen und ihre Fortschritte messen
wollen.» Deshalb sei schwer zu sagen, ob sie wirklich für jeden
hilfreich seien.

In der Tat: Etwa die Hälfte der geschätzten 33 Millionen Amerikaner,
die einen Fitness-Tracker besitzen, nutzen das Armband nicht mehr.
Ein Drittel davon legt es schon innerhalb der ersten sechs Monate zur
Seite.

Andere Untersuchungen kritisieren Ungenauigkeiten der Geräte beim
Ermitteln der verbrauchten Kalorienzahl, des Blutdrucks oder beim
Bestimmen der Pulsfrequenz. Wer ambitioniert trainiere, riskiere
möglicherweise Herzprobleme, wenn sein Puls ständig deutlich über dem

angezeigten Wert liege, monierten Ärzte. Gegen eine dieser Studien
zog der größte US-Anbieter, Fitbits, in diesem Frühjahr dann auch vor

Gericht.

Der Mediziner Timothy Plante von der Johns Hopkins University rät,
sich nicht auf den angezeigten Kalorienverbrauch zu verlassen. «Den
Energieverbrauch zu messen ist eine große Herausforderung. Jeder der
diese Geräte benutzt, sollte die Ergebnisse mit Vorsicht genießen.»

Eine ganz andere Schwachstelle deckten Forscher der TU Darmstadt und
der Uni Toronto auf: Viele Programme haben große Lücken im
Datenschutz. Nutzerdaten können relativ einfach gehackt und
manipuliert werden.

Das dürfte in den USA, wo die Tracker-Angaben bereits vor Gericht als
Beweismittel zum Einsatz kommen dürfen und auch Versicherungen erste
Prämien danach berechnen, noch stärkere Auswirkungen haben als in
Deutschland. Hier nutzt nach Angaben des Fachverbands Bitcom auch
bereits fast jeder Dritte einen Fitness-Tracker oder eine App.