Neue Preisbremse für Arzneimittel - Preise bleiben geheim

Im Rennen um Milliardenumsätze auf dem Pharmamarkt tritt die
Regierung auf die Bremse. Doch die Krankenkassen monieren, Minister
Gröhe nehme zu große Rücksicht auf die Industrie.

Berlin (dpa) - Die Bundesregierung will die oft extrem hohen Umsätze
der Pharmaindustrie mit neuen Medikamenten begrenzen. Übersteigen die
Kosten für die Krankenkassen eine Schwelle von 250 Millionen Euro im
ersten Jahr nach Markteinführung, sollen die Hersteller ab diesem
Zeitpunkt niedrigere Preise bekommen. Das sieht der Entwurf für ein
Gesetz zur Arzneimittelversorgung vor, den das Bundeskabinett am
Mittwoch in Berlin beschloss. Die Krankenkassen warfen
Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) zu große Zugeständnisse an
die Pharmalobby vor.

Heute können neue Mittel zunächst zum frei von den Pharmafirmen
festgesetzten Preis verkauft werden, bevor ihr Nutzen offiziell
bewertet und über ihren Erstattungspreis verhandelt wird. Manche
Mittel erzielen im ersten Jahr enorme Bruttoumsätze von mehreren
hundert Millionen Euro.

Der Kassen-Spitzenverband warf Gröhe eine «Alibi-Lösung» für die

Arznei-Preisspirale vor. Bei der geplanten Preisschwelle wären
vergangenes Jahr nur drei Mittel betroffen gewesen, sagte
Verbandsvize Johann-Magnus von Stackelberg. «Wenn man eine echte
Wirkung auf die Industrie und ihre Preisgestaltung will, muss der
Erstattungsbetrag rückwirkend ab dem ersten Tag gelten, an dem das
Arzneimittel verfügbar ist.»

Für die Hersteller bringen neue Mittel oft hohe Umsätze von rund eine
Million Euro pro Monat. Der Preis für neue Mittel pro Packung ist
laut einem Report der Techniker Krankenkasse von 670 Euro im Jahr
2012 auf 1400 Euro im Jahr 2013 in die Höhe geschnellt. Bei
Arzneimitteln gab es 2015 deutliche Steigerungen der Kassenausgaben
von plus 3,9 Prozent auf 35,4 Milliarden Euro.

Das Gesetz von Gröhe sieht zudem vor, dass die ausgehandelten
Erstattungspreise geheim bleiben. Das soll den Pharmastandort
Deutschland stärken. AOK-Chef Martin Litsch kritisierte, in Wahrheit
diene dies nur dazu, «dass Pharmafirmen in Ländern, die Deutschland
als Referenzland nutzen, höhere Preise durchsetzen können».

Ärzte sollen über den Zusatznutzen neuer Mittel für einzelne
Patientengruppen besser informiert werden. Kassen-Vertreter
Stackelberg begrüßte diesen Passus. Der Pharmaverband vfa warnte vor
einseitigen Infos für die Ärzte durch die Kassen.

Gröhe will zudem Ausschreibungen der Kassen verbieten, an denen sich
Apotheken beteiligen können, die Zytostatika - also spezielle
Krebsmittel - herstellen und ambulant tätige Onkologen beliefern.

Außerdem wird ein Preismoratorium für Arzneimittel ohne andere
Preisregulierung bis Ende 2022 verlängert. Apotheker bekommen eine
höhere Vergütung von 100 Millionen Euro im Jahr.

In der Vergangenheit immer wieder vorgekommene Lieferengpässe bei
Arzneimitteln sollen vermieden werden. Die Behörden erhalten dazu die
Möglichkeit, von den Herstellern Informationen zu Absatzmenge und
Verschreibungsvolumen zu fordern. Angesichts vieler
Krankheitserreger, die gegen Antibiotika unempfindlich sind, sollen
Reserve-Antibiotika von bestimmten Preisregulierungen ausgenommen
werden können. Nun beginnen die parlamentarischen Beratungen über den
Gesetzentwurf.

Gröhe sagte, die Ausgaben für besonders hochpreisige neue
Arzneimittel würden begrenzt, die Arzneimittelversorgung insgesamt
aber gestärkt. Die Regelungen sollen 2017 in Kraft treten.