Genforscher Craig Venter wird 70 und kämpft gegen das Altern Von Christina Horsten, dpa

Craig Venter hat das menschliche Erbgut entziffert und das erste
Bakterium mit künstlichem Erbgut geschaffen. Aber das war für den
schillernd-umstrittenen Gen-Pionier nur der Anfang.

New York (dpa) - Wohl kein anderer Mensch auf der Welt ist so gläsern
wie Craig Venter. Schon vor rund 15 Jahren veröffentlichte der
Wissenschaftler die erste genetische Blaupause eines einzelnen
Menschen - seine eigene. Unter anderem geht daraus hervor, dass ihm
möglicherweise - wie seinem Vater - ein früher Herzinfarkt droht. Zur
Vorbeugung nehme er jetzt Cholesterinsenker und Tabletten gegen
Alzheimer, schrieb Venter in seiner Autobiografie «Entschlüsselt.
Mein Genom, mein Leben». Die Informationen machten ihm aber keine
Angst, sagte er einmal der Deutschen Presse-Agentur. «Die Kenntnis
von unseren genetischen Risiken bedeutet Macht - die Macht, ihnen
entgegenzusteuern.»

Doch das alles war nur der Anfang für Venter, der am kommenden
Freitag (14. Oktober) 70 Jahre alt wird, und im Alter vor allem gegen
das Altern kämpft. «Ich glaube nicht, dass es da vorgeschriebene
Grenzen gibt», sagte er jüngst dem «Wall Street Journal». Er wolle

die «gesunde Lebenszeit» verlängern. «Wenn wir es schaffen, die
medizinischen Kosten zu verringern und die Lebensqualität der
Menschen bis zu ihrem 100. Geburtstag zu verbessern, hätte das
riesige Auswirkungen.»

Venter ist so schillernd wie umstritten. Mit schwindelerregendem
Tempo kündigen er und sein Team immer wieder neue Entdeckungen und
Vorhaben an. Ein Bakterium mit künstlichem Erbgut etwa, mit dem der
Forscher die Welt vor einer Klimakatastrophe retten und neue
Energiequellen erschließen will. Ziel sei es, die Biologie dazu zu
bringen, «das zu tun, was wir wollen». US-Präsident Barack Obama war

über das Projekt so beunruhigt, dass er eine Expertenkommission
einsetzte, um den ethischen Aspekt von Venters Vorhaben zu prüfen.

Zuletzt verkündete Venter, künftig das Genom von mindestens
40 000 Menschen pro Jahr analysieren zu wollen, um so eine riesige
Datenbasis zur Forschung zu haben. Viele Kollegen werfen Venter
Größenwahn, Narzissmus und einen zu stark ausgeprägten Geschäftssin
n
vor. Aber der Wissenschaftler hat auch schon viele Preise bekommen
und mehrfach bewiesen, dass er scheinbar Unmögliches bewerkstelligen
kann.

So forderte er 1999 ein internationales Forscherteam heraus, das
schon lange an der Entschlüsselung des menschlichen Erbguts
gearbeitet hatte. Nach nur 15 Monaten erreichte er etwa zeitgleich
mit dem staatlich geförderten Human Genome Project das Ziel. Sein
neues Forschungsprojekt sei wie das von 1999, sagt Venter, «nur auf
Steroiden und Kokain».

Der 1946 geborene Forscher ist Sohn eines deutschstämmigen
Buchhalters aus Salt Lake City im US-Bundesstaat Utah. Er wuchs in
einfachen Verhältnissen auf, war ein schlechter Schüler und schaffte
gerade so den Abschluss. Statt an ein College ging er an den Pazifik
und surfte drei Jahre, bis der Vietnamkrieg dem ein Ende setzte. Als
Sanitäter im Krankenhaus der US-Marine in Danang verarztete er
verwundete Landsleute. Danach studierte er Medizin und promovierte.
Mehr als 280 Fachartikel hat er bislang veröffentlicht.

Frühere Firmen hat der Gen-Pionier zum J. Craig Venter Institut mit
Büros in Rockville bei Washington und in San Diego in Kalifornien
vereint. Von dort sticht er oft mit seiner «Sorcerer II» in See und
holt Mikroorganismen vom Meeresboden. In diesem Universum liege für
ihn der Schlüssel für die Zukunft, sagt Venter. «Wir kennen erst ein

Prozent des Bakterien-Universums.»