Gewichtheber und Ringer entsetzt: De Maizières Plan «fatales Signal» Von Franko Koitzsch und Sandra Degenhardt, dpa

Dass deutsche Spitzensportler mit Fördermittelentzug bestraft werden
könnten, weil die Konkurrenz dopt und deshalb die Medaillen kassiert,
hat wütende Proteste ausgelöst. Der Vorstoß des Bundesinnenministers

sei ein «fatales Signal».

Berlin/Playa Granada (dpa) - Die deutschen Gewichtheber und Ringer
Denis Kudla haben mit Entsetzen auf die Überlegungen von
Bundesinnenminister Thomas de Maizière reagiert, dopingverseuchte
Sportarten eventuell nicht mehr zu fördern. «Wenn eine Sportart
'verseucht' ist, dann liegt es auch daran, dass unsere
Bundesregierung bislang nichts getan hat, um dies zu verhindern bzw.
die bekannten Probleme zu bearbeiten und zu lösen», schrieb Christian
Baumgartner am Freitag an DOSB-Präsident Alfons Hörmann. Der
Präsident des Bundesverbandes Deutscher Gewichtheber sei «erstaunt
über so ein hohes Maß an Unkenntnis und Dickfelligkeit».

Auch Bundestrainer Oliver Caruso kritisierte im «Mannheimer Morgen»
(Samstag) die Aussagen von de Mazière. «Es kann doch nicht sein, dass
wir für Vergehen bestraft werden, die namentlich bekannte Nationen
immer wieder gemacht haben», sagte der Olympia-Dritte von 1996. «Der
Wegfall der Fördermittel wäre ein fatales Signal.»

Ringer Kudla bezeichnete die Überlegungen von de Maizière als
«absurd». «Es wäre schrecklich, dass wir dafür leiden müssen, w
enn in
anderen Ländern gedopt wird», argumentierte der Olympia-Dritte von
Rio ähnlich wie Caruso. In den östlichen Ringer-Nationen sei Doping
ein Problem. «Aber dafür können wir doch nichts», sagte Kudla am
Freitag am Rande der von der Deutschen Sporthilfe organisierten
Veranstaltung «Champion des Jahres» im spanischen Playa Granada. Das
Anti-Doping-System sei nirgendwo so hart wie in Deutschland.

Am Mittwoch war in Berlin der Entwurf zur Reform der
Spitzensportförderung vorgestellt worden. Er sieht unter anderem vor,
dass potenzialorientierter gefördert werden soll. Der Innenminister
hatte in einem Interview der «Süddeutschen Zeitung» angekündigt,
die
Spitzensport-Förderung künftig mit der Doping-Problematik zu
verknüpfen. «Wenn eine Sportart strukturell dopingverseucht ist, habe
ich Zweifel, ob wir diese Sportart mit Steuergeldern fördern
sollten», sagte de Maizière.

Die Konsequenz: Deutsche Sportler, die in Problemsportarten seit
Jahren nicht dopen, der Weltspitze hinterherrennen und für Fairplay
kämpfen, würden bestraft. «So gräbt man den Sportlern, die Widersta
nd
gegen Doping leisten, das Wasser ab», betonte Baumgartner.

Gewichtheber-Präsident Baumgartner sieht es als Aufgabe der Politik
an, konsequenter im Kampf gegen weltweites Doping voranzugehen. Die
Förderung einzustellen hieße nichts anderes als: «Wir kapitulieren!
»
Das sei ein «fatales Signal» für die Jugend. «Sie muss denken: Saub
er
zu sein, das lohnt nicht», sagte Baumgartner. «Ich weiß nicht, was
sich ein Innenminister bei solchen Aussagen denkt.»

Kopfschütteln löste de Maizière auch bei den Sportlern aus. «Wir
deutsche Gewichtheber sind sauber. Wir werden im Wettkampf
beschissen, weil wir gegen die Gedopten keine Chance haben. Jetzt
will man uns doppelt und dreifach bestrafen und uns auch noch die
Förderung wegnehmen» klagte Almir Velagic, Olympia-Neunter in Rio.

Einzelne Sportarten «denen zu überlassen, die betrügen und die
internationalen Regeln und olympischen Werte mit Füßen treten, wird
wohl kaum dazu führen, das beabsichtigte Ziel zu erreichen. Ich mag
mir gar nicht vorstellen, wie die Verbände in Russland, Kasachstan,
Weißrussland, Armenien usw. usw. jubilieren, wenn sie so eine Meldung
lesen», kommentierte Baumgartner die Aussagen de Maizières. Falls die
Bundesregierung künftig zwischen «guten und bösen Sportarten
unterscheiden will, dann diskriminiert sie nicht nur die
Leistungssportler in Deutschland, sondern auch die Hobby- und
Freizeitsportler».

Jürgen Spieß vom AV 03 Speyer war in Peking Neunter, gehörte danach
nicht zu den geförderten Sportlern. Durch die acht Jahre später
erwischten Dopingbetrüger ist er auf Platz sechs vorgerückt. Damit
hätten sowohl er als auch der Verband Fördergelder erhalten müssen.

Auch die Diskussion über die Olympiastützpunkte (OSP), von denen
bundesweit 6 von derzeit 19 verschwinden sollen, nimmt Fahrt auf. Der
Stuttgarter OSP-Chef Klaus Tappeser lehnt eine Reduzierung der vier
Olympiastützpunkte in Baden-Württemberg im Zuge der geplanten
Spitzensport-Reform ab.