Gewichtheber entsetzt über de Maizières Plan: «Fatales Signal»

Der Streit um das Fördersystem im deutschen Spitzensport hält an.
Heftige Reaktionen hat Bundesinnenminister de Maizière ausgelöst, der
erwägt, dopingbelastete Sportarten in Deutschland nicht mehr zu
fördern.

Hamburg (dpa) - Die deutschen Gewichtheber haben mit Entsetzen auf
die Überlegungen von Bundesinnenminister Thomas de Maizière reagiert,
dopingverseuchte Sportarten eventuell nicht mehr fördern zu wollen.
«Wenn eine Sportart 'verseucht' ist, dann liegt es auch daran, dass
unsere Bundesregierung bislang nichts getan hat, um dies zu
verhindern bzw. die bekannten Probleme zu bearbeiten und zu lösen»,
schrieb Christian Baumgartner am Freitag an DOSB-Präsident Alfons
Hörmann. Der Präsident des Bundesverbandes Deutscher Gewichtheber sei
«erstaunt über so ein hohes Maß an Unkenntnis und Dickfelligkeit».


Baumgartner sieht es als Aufgabe der Politik an, konsequenter im
Kampf gegen weltweites Doping voranzugehen. Die Förderung
einzustellen hieße nichts anderes als: «Wir kapitulieren!» Das sei
ein «fatales Signal» für die Jugend. «Sie muss denken: Sauber zu
sein, das lohnt nicht», sagte Baumgartner. «Ich weiß nicht, was sich

ein Innenminister bei solchen Aussagen denkt.»

Kopfschütteln hat der Bundersinnenminister auch bei den Sportlern
ausgelöst. «Wir deutsche Gewichtheber sind sauber. Wir werden im
Wettkampf beschissen, weil wir gegen die Gedopten keine Chance haben.
Jetzt will man uns doppelt und dreifach bestrafen und uns auch noch
die Förderung wegnehmen» klagte Almir Velagic, Olympia-Neunter in
Rio.

De Maizière hatte in einem Interview der »Süddeutschen Zeitung»
gesagt: «Wenn eine Sportart strukturell dopingverseucht ist, habe ich
Zweifel, ob wir diese Sportart mit Steuergeldern fördern sollten.»
Die Konsequenz: Deutsche Sportler, die in Problemsportarten seit
Jahren nicht dopen, der Weltspitze hinterherrennen und für Fairplay
kämpfen, werden bestraft. «So gräbt man den Sportlern, die Widerstand

gegen Doping leisten, das Wasser ab», betonte Baumgartner.

Einzelne Sportarten «denen zu überlassen, die betrügen und die
internationalen Regeln und olympischen Werte mit Füßen treten, wird
wohl kaum dazu führen, das beabsichtigte Ziel zu erreichen. Ich mag
mir gar nicht vorstellen, wie die Verbände in Russland, Kasachstan,
Weißrussland, Armenien usw. usw. jubilieren, wenn sie so eine Meldung
lesen», kommentierte Baumgartner die Aussagen de Maizières.

Falls die Bundesregierung künftig zwischen «guten und bösen
Sportarten unterscheiden will, dann diskriminiert sie nicht nur die
Leistungssportler in Deutschland, sondern auch die Hobby- und
Freizeitsportler», erklärte Baumgartner, der vom DOSB «kurzfristig
eine klare Aussage» erwartet.

Der Kampf gegen Doping im Gewichtheben geht allmählich voran. Bei den
Nachtests von Proben der Olympischen Spiele in Peking und London sind
bislang 47 positive Fälle aufgedeckt worden. Nationen, die drei oder
mehr Dopingsünder hatten, werden für ein Jahr gesperrt. Das betrifft
derzeit neun Länder.

Jürgen Spieß vom AV 03 Speyer war in Peking Neunter, gehörte danach
nicht zu den geförderten Sportlern. Durch die acht Jahre später
erwischten Dopingbetrüger ist er auf Platz sechs vorgerückt. Damit
hätten sowohl er als auch der Verband Fördergelder erhalten müssen.