Ärzte kritisieren Bürgerversicherung und Eingriff in Selbstverwaltung

Der Bundestagswahlkampf hat begonnen - die Bundesärztekammer legt
bereits ihre Forderungen für 2017 vor. Die Ärzte warnen vor weiteren
Beschränkungen der Selbstverwaltung und vor einer Bürgerversicherung.

Berlin (dpa) - Die Bundesärztekammer (BÄK) hat Gesundheitsminister
Hermann Gröhe (CDU) massive Eingriffe in die Selbstverwaltung des
Gesundheitswesens vorgeworfen. BÄK-Präsident Frank Ulrich Montgomery
forderte den Minister am Mittwoch in Berlin auf, seinen Gesetzentwurf
zur «Stärkung der Selbstverwaltung» zurückzunehmen. Das Gesetz sei

ein neuer Höhepunkt staatlicher Einflussnahme, kritisierte Montgomery
bei der Vorstellung eines 13-Punkte-Forderungskatalogs der
Ärzteschaft zur Bundestagswahl 2017.

Nach Unregelmäßigkeiten bei der Kassenärztlichen Bundesvereinigung
(KBV) will Gröhe die Durchgriffsrechte seines Ministeriums als
Aufsichtsinstanz auf die gesamte Selbstverwaltung von Ärzten,
Apothekern, Krankenkassen und Krankenhäusern ausweiten. Die Pläne
lösen nicht nur Kritik bei der Ärzteschaft aus. Auch die gesetzlichen
Krankenkassen verwahren sich dagegen, für Verfehlungen der KBV in
Mithaftung genommen zu werden.

Die Ärzteschaft wandte sich auch gegen die Absicht vor allem der SPD,
mit einer Einheitskrankenversicherung, der sogenannten
Bürgerversicherung, in den Wahlkampf zu ziehen. Es müsse bei dem
dualen System von gesetzlicher und privater Krankenversicherung
bleiben, sagte Montgomery. In diesem Zusammenhang wolle man mit dem
Entwurf einer neuen Gebührenordnung für Leistungen für
Privatversicherte (GOÄ) bis Ende der Legislaturperiode fertig werden,
um ihn als Basis für die Koalitionsverhandlungen nach der Wahl auf
den Tisch legen zu können.

Einige weitere Forderungen der Ärzte:

- Nach Ansicht der Ärzte brauchen alle Geflüchteten - unabhängig von

ihrem Aufenthaltsstatus - nach der Erstuntersuchung eine
Gesundheitskarte. Ein schneller Zugang zur ärztlichen Regelversorgung
verhindere, dass sich Krankheiten verschlimmerten. Dabei gebe es
keine Kapazitätsprobleme. Die Flüchtlinge hätten zwar zum Teil andere

Krankheiten als die hier landläufig bekannten. Doch dies sei
beherrschbar. Der öffentliche Gesundheitsdienst müsse aber finanziell
und personell gestärkt werden.

- Das Krankenhausstrukturgesetz habe zwar Verbesserungen gebracht.
Doch die Länder kämen immer noch nicht ihrer Verpflichtung für
Investitionen nach. Der Investitionsstau belaufe sich inzwischen auf
an die 30 Milliarden Euro.

- Die Ärzte fordern die Bundesregierung auf, das Tarifeinheitsgesetz
zurücknehmen. Das Gesetz schreibt vor, dass, wenn zwei Gewerkschaften
in einem Betrieb dieselben Arbeitnehmergruppen vertreten, nur der
Tarifvertrag der Gewerkschaft gilt, die die meisten Mitglieder im
Unternehmen hat. Dagegen hatten sich kleinere Gewerkschaften wie die
Ärztevertretung Marburger Bund gewehrt.