Wucher für Bucher - Wenn der Reiserücktritt zur Kostenfalle wird Von Anja Semmelroch, dpa

Wer eine Pauschalreise nicht antreten kann, zahlt oft hohe
Storno-Gebühren. Umso besser, wenn jemand aus dem Bekanntenkreis
einspringt. Einige Veranstalter stellen dafür aber horrende
Zusatz-Kosten in Rechnung. Zu Recht, sagt jetzt der BGH.

Karlsruhe (dpa) - Zu krank, um in den Urlaub zu fliegen - das allein
ist schon ein ziemliches Unglück. Wer dann noch auf hohen Kosten für
die verpasste Reise sitzenbleibt, ist doppelt gestraft. Immerhin
haben Verbraucher das Recht, ihre Plätze kurzfristig einem anderen zu
überlassen. Aber auch das kann extrem teuer werden, wie zwei Urteile
des Bundesgerichtshofs (BGH) vom Dienstag zeigen.

Worum ging es in Karlsruhe?

Im Gesetz steht, dass jeder bis zum Beginn der Reise verlangen kann,
«dass statt seiner ein Dritter in die Rechte und Pflichten aus dem
Reisevertrag eintritt». Beispielsweise könnte also ein Paar die
gebuchte Reise den Schwiegereltern oder Freunden überlassen. Der
Veranstalter darf das nur verweigern, wenn der Ersatz-Reisende «den
besonderen Reiseerfordernissen nicht genügt». Das geht nur im
Ausnahmefall, erläutert Reiserechtsexperte Felix Methmann vom
Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) - wenn jemand zu alt
oder krank ist für eine Tropenreise oder notwendige Impfungen fehlen.

Warum kann so etwas sinnvoll sein?

Wer kurzfristig eine Pauschalreise nicht antreten kann, zahlt zwar
nicht den vollen Preis, aber meist hohe Storno-Gebühren. Die
gestaffelten Prozentsätze sind nach Auskunft des vzbv nicht
gesetzlich geregelt. Durch die Rechtsprechung im Einzelfall habe sich
aber herauskristallisiert, welche Gebühren angemessen sind. Demnach
zahlen abspringende Kunden bis zu 30 Tage vor Reisebeginn in der
Regel 20 Prozent des Reisepreises, ab sechs Tage vorher sind es schon
55 und bei Nichtantritt 75 Prozent. Auch bei Übertragung der Reise
auf einen Dritten müssen die Kunden allerdings die «entstehenden
Mehrkosten» übernehmen. Und genau daran entzündete sich der Streit.

Weshalb haben die Reisenden geklagt?

Sie wollten in beiden Fällen wegen Krankheit zwei Tage vor der Reise
ihre Plätze gern an Bekannte oder Angehörige abgeben. Das wäre ihnen

aber teuer zu stehen gekommen. Bei Flügen nach Dubai wollte der
Veranstalter entweder pro Person 1850 Euro mehr für Sitze in der
Business Class oder je 725 Euro für die Umbuchung auf eine andere
Verbindung. Die zweite Reise nach Thailand sollte mit neuen
Flugtickets pro Person knapp 1650 Euro zusätzlich kosten. Also
stornierten die Betroffenen lieber - wofür wiederum 90 und 85 Prozent
des Reisepreises fällig wurden. So nicht, dachten sich die Kunden.
Sie wollten ohne Storno-Gebühren aus dem Reisevertrag heraus.

Wie kommen überhaupt so hohe Summen zustande?

Das hat damit zu tun, dass die Fluggesellschaften auf Linienflügen
Namensänderungen nach der Buchung häufig ausschließen. So wollen die

Airlines vermeiden, dass die Tickets unter der Hand weiterverkauft
werden. Packt ein Reiseanbieter solche Flüge in seine Pauschalpakete,
kann er also gar nicht umbuchen. Er muss stornieren und kurz vor
Abflug neue Tickets kaufen - was in aller Regel sehr teuer ist. «Das
kann nicht sein», kritisiert Methmann. Aus seiner Sicht hat der
Reisende nur die Kosten für die Änderung des Namens zu tragen, eine
Sache, die allerhöchstens eine Viertelstunde dauere. «Das kann nicht
besonders teuer sein. Ich würde sagen: zwischen 25 und 50 Euro.»

Wie hat jetzt der BGH entschieden?

Die Karlsruher Richter sehen die Haftung beim Kunden - und zwar für
alle Mehrkosten, neuer Flugschein inklusive. Der Vorsitzende Richter
Peter Meier-Beck räumte in der Verhandlung zwar ein, dass die «Wucht
der Beträge» das in diesen beiden Extremfällen in der Tat absurd
erscheinen lasse. Der Gesetzgeber habe aber nirgendwo gesagt, dass
das Recht auf Eintritt in den Reisevertrag in jedem Fall
wirtschaftlich attraktiv sein müsse. Der Senat hielt es deshalb nicht
für gerechtfertigt, die Kosten für die neuen Flugtickets dem
Reiseveranstalter aufzubrummen. (Az.: X ZR 107/15, X ZR 141/15)

Was bedeutet das für Pauschaltouristen?

Ihnen bleibt, wenn sie Pech haben, nur die Stornierung - unter
Umständen kommen sie damit immer noch günstiger weg. Nach Ansicht der
BGH-Richter wäre ein anderes Urteil für die Verbraucher aber nicht
unbedingt von Vorteil gewesen. Meier-Beck wies darauf hin, dass nicht
umbuchbare Flüge oft die billigeren seien. Eine Verpflichtung der
Veranstalter, flexibel zu buchen, hätte nach dieser Logik
Pauschalreisen also insgesamt teurer gemacht.