Von der Diskriminierung der Dicken Von Ruppert Mayr, dpa

Dickerchen gelten als gemütlich. Doch sobald ein gewisses Maß an
Körperfülle hin zur Fettleibigkeit überschritten ist, ändert sich d
ie
Wahrnehmung. Häme und Abkehr können dann die Folge sein.

Berlin (dpa) - Eine Schreckensnachricht für Dicke kommt aus
Großbritannien. Dort haben Krankenhäuser damit begonnen, Fettleibige
und Raucher nicht länger zu behandeln, berichtete jüngst die
«ÄrzteZeitung». Das ist eine krasse Art von Diskriminierung.
Offensichtlich fehlen den Briten die Mittel im Gesundheitsetat. Doch
auch in Deutschland werden Fettleibige einer Studie zufolge
gesellschaftlich ausgegrenzt.

Was sind die Ursachen für Übergewicht und Adipositas?

Eine Mehrheit der im diesjährigen «XXL-Report» der gesetzlichen
Krankenkasse DAK-Gesundheit Befragten sagt: selber schuld - zu viel
gegessen und zu viel gesessen. Doch so einfach ist das nicht. Oft
haben die Patienten eine genetische Veranlagung oder
Stoffwechselstörungen. Aber auch im persönlichen Umfeld können
Ursachen für die Fettleibigkeit liegen. Der größte Anteil
Übergewichtiger wird in sozial schwachen Gesellschaftsgruppen
registriert.

Was geschieht, wenn Fettleibige ausgegrenzt werden?

Es beginnt ein Teufelskreis. Die gesellschaftliche Ausgrenzung führt
zu neuem Stress für die Betroffenen. Das kann wiederum ein
verändertes Essverhalten provozieren, was eine weitere
Gewichtszunahme verursacht. Das Gewichtsproblem wird also verschärft.

Ist Fettleibigkeit eine Volkskrankheit?

Ja, sagt DAK-Vorstand Thomas Bodmer und ist damit nicht allein. Die
Weltgesundheitsorganisation (WHO) betrachtet Adipositas
(Fettleibigkeit) als eine chronische Krankheit.

In Deutschland sind 16 Millionen Menschen zwischen 18 und 79
fettleibig. Davon haben 1,4 Millionen schon ein krankhaftes Stadium
erreicht. Tendenz steigend. Der Anteil der Menschen mit extremer
Adipositas (Body-Maß-Index größer als 40) hat sich zwischen 1999 und

2013 mehr als verdoppelt. Adipositas nimmt im Alter zu, bei den über
60-Jährigen ist mehr als jeder Dritte betroffen. Doch auch schon 15
Prozent der Kinder und Jugendlichen sind übergewichtig, 6,3 Prozent
gelten als fettleibig. Prävention ist geboten.

Ist jeder Übergewichtige oder Fettleibige gleich krank?

Nein. Ein Schwergewichts-Ringer oder -Boxer ist sicherlich nicht
zwangsläufig krank. Mit zunehmendem Körpergewicht erhöht sich aber
das Risiko von Begleiterkrankungen. Adipositas gilt als Auslöser für
mehr als 60 solcher Begleiterkrankungen, darunter Zucker, Krebs,
Herz-Kreislauf-Beschwerden oder auch psychische Erkrankungen wie
Depressionen. Schon bei geringerer Ausprägung kann Fettleibigkeit zur
chronischen Stoffwechselerkrankung führen. Die Lebenserwartung bei
extremer Adipositas reduziert sich um bis zu zehn Jahre.

Was kann helfen?

17 Prozent machen derzeit eine Diät, um Gewicht zu verlieren.
Fachleute raten aber von immer neuen Diäten ab. Der Jo-Jo-Effekt
verschlimmere die Krankheit eher noch. Als chronische Krankheit ist
Adipositas nicht heilbar, aber therapierbar. Empfohlen wird ein
ganzheitlicher Therapieansatz: In Deutschland gehören dazu
Ernährungs-, Bewegungs- und Verhaltenstherapien sowie chirurgische
Eingriffe.

Letzte Ausfahrt Magenverkleinerung?

In extremen Fällen hilft tatsächlich nur noch eine
Magenverkleinerung. DAK-Vorstand Bodmer sagt, allein bei seiner Kasse
habe sich die Zahl der Magen-OPs in den vergangenen zehn Jahren
verdreifacht. Die gesetzliche Krankenversicherung insgesamt
verzeichnete seit 2006 eine Verfünffachung solcher Eingriffe.
Grundsätzlich sind Magenverkleinerungen im Leistungskatalog der
Kassen enthalten. Eine Operation kommt ab einem BMI von 40 in Frage,
bei schwerwiegenden Begleiterkrankungen schon ab einem BMI von 35.

Doch Vorsicht: Ärzte und Kassen warnen vor solchen Eingriffen. Eine
Magenverkleinerung sei alles andere als harmlos. Mit einer
Magenverkleinerung allein sei es auch bei weitem nicht getan. Die
Operation verlange eine intensive Nachsorge. Ein kleinerer Magen
hilft wenig, wenn danach wieder große Mengen Schlagsahne verspeist
werden.