Der Fall Höxter: Chronologie der Folter und Gewalt 

Höxter (dpa) - Die Fälle von tödlichen Misshandlungen in einem Gehö
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in Höxter haben Entsetzen ausgelöst. Schon vor rund 20 Jahren war der
46-jährige Hauptverdächtige verurteilt worden, weil er eine Frau
gequält hatte.

Eine Chronologie der bislang bekannten Fakten:

1995: Das Amtsgericht Paderborn verurteilt den damals 25-jährigen
Wilfried W. im August zu zwei Jahren und neun Monaten Haft. Der
Grund: Körperverletzung, Freiheitsberaubung und Nötigung. Wie die
«Neue Westfälische» damals berichtete, soll er seine damalige Ehefrau

misshandelt und gequält haben - zusammen mit einer Komplizin.

1999: Der gebürtige Bochumer lernt die in Herford geborene heute
47-jährige Beschuldigte Angelika B. kennen. Sie heiraten nach wenigen
Wochen.

1999 bis 2010: Was das Ehepaar in diesen rund zehn Jahren machte und
wo es wohnte, ist bislang noch unklar.

2011: Im Ortsteil Höxter-Bosseborn mietet das Paar einen Hof. Zuvor
wohnten sie im 50 Kilometer entfernten Schlangen in Lippe.

August 2011: Eine heute 51-jährige Frau aus dem Großraum Berlin
besucht zum ersten Mal Bosseborn. Sie hatte auf eine Kontaktanzeige
von Wilfried W. geantwortet. Während ihres dreiwöchigen Aufenthalts
kam es nach ihrer eigenen Aussage zu keinen Übergriffen.

Ende 2011 bis März 2012: Es folgt der zweite Besuch. Mehr als drei
Monate lang soll die Frau aus Berlin von ihren Peinigern misshandelt
und gefangen gehalten worden sein. Später wird sie von den
Beschuldigten in einen Zug nach Hause gesetzt. Das Opfer traut sich
erst 2016, gegenüber der Polizei auszusagen, als es in
Medienberichten das Haus in Ostwestfalen wiedererkannte.

2013: Das verdächtige Paar lässt sich scheiden. Über eine
Zeitungsanzeige kommt die 33-jährige Annika W. aus Niedersachsen nach
Bosseborn. Bereits nach kurzer Zeit heiratet sie Wilfried W., der
weiterhin mit seiner Ex-Frau in dem Haus wohnt. Gemeinsam sollen sie
die 33-Jährige gequält haben, wie aus den Aussagen der festgenommenen
Komplizin hervorgeht.

1. August 2014: Die misshandelte Frau stirbt an ihren Verletzungen.
Anschließend friert das Paar die Leiche in einer Tiefkühltruhe ein,
zerstückelt und verbrennt sie. Die Asche verteilen sie an
Straßenrändern der Umgebung. In der Folgezeit schicken sie immer
wieder SMS-Nachrichten an die Mutter des Opfers. Die geht deshalb
noch bis Ende April 2016 davon aus, dass ihre Tochter lebt.

2014-2016: Das Paar soll laut Staatsanwaltschaft immer wieder Frauen
per Anzeige kontaktiert und dann misshandelt haben. Es sind laut
Polizei bisher nur «Namensfragmente» der möglichen Opfer bekannt.

Februar 2016: Die 41-jährige Susanne F. aus dem niedersächsischen Bad
Gandersheim reagiert auf eine Zeitungsanzeige und kommt im März in
das Haus. Über mehrere Wochen wird sie festgehalten und misshandelt.

21. April 2016: Mit der schwer verletzten Frau im Auto fährt das
Pärchen in Richtung Bad Gandersheim. Dort wollen sie die Frau nach
Angaben der Ermittler in ihre Wohnung zurückbringen. Eine Autopanne
durchkreuzt den Plan. Sie entscheiden sich, einen Rettungswagen zu
rufen. Im Krankenhaus stirbt das Opfer nach Mitternacht am 22. April.
Die Ärzte schalten die Polizei ein.

27. April 2016: Der 46-jährige Tatverdächtige und seine Partnerin
werden vorläufig festgenommen. Das Amtsgericht Höxter erlässt einen
Tag später Haftbefehl wegen Totschlags.

3. Mai 2016: Polizei und Staatsanwaltschaft geben bei einer
Pressekonferenz Details zu den bisher untersuchten Fällen bekannt.
Die Beschuldigte hatte nach Aussage der Ermittler umfassend und
glaubhaft über beide Todesfälle ausgesagt. Der 46-Jährige bestreitet

bislang jede Schuld. Die Polizei sucht nach weiteren Frauen, die in
der Gewalt des Paares in Bosseborn gewesen sein könnten.

11. Mai 2016: Bei der Polizei haben sich mehrere Frauen gemeldet, die
durch das Paar finanziell geschädigt wurden.

13. Mai 2016: Polizei und Staatsanwaltschaft bestätigen, dass die
Ermittler auf dem Grundstück über 100 000 Euro und etwas 20
Mobiltelefone gefunden haben, die sowohl Opfern als auch Tätern
zuzuordnen sind.

20. Mai 2016: Leichenspürhunde suchen an einer Landstraße nach
Überresten des ersten Todesopfers Anika F. aus Niedersachsen - ohne
Erfolg.

26. Mai 2016: Polizeidirektion Göttingen überprüft Vorwürfe gegen
Wache in Uslar in Niedersachsen. Die Beschuldigten sollen dort im
Jahr 2012 mit einem Opfer vorstellig geworden sein. Die Frau sollte
vor Polizeibeamten eine Erklärung unterschreiben, dass sie freiwillig
in Höxter-Bosseborn war. Laut Ermittlungsergebnis hatte Angelika W.
die Wache ohne das Opfer betreten. Auf ein Fehlverhalten von
Polizeibeamten gab es keine Hinweise. Die Polizisten hatten eine
Bestätigung abgelehnt.

13. Juni 2016: In zwei weiteren Fällen gab es Vorwürfe wegen
unterlassener Hilfeleistung durch die Polizei. Zweimal waren
Streifenbeamte 2014 in Höxter und Bad Salzuflen zufällig auf die
Angeklagten und die später getötete Angelika W. getroffen. Bei den
Kontrollen unterhielten sich die Beamten mit der Frau, schritten aber
nicht ein. Laut Untersuchungsergebnis hatte Angelika W. die
Polizisten nicht um Hilfe gebeten.

7. Juli 2016: Die Spurensuche im Todes-Haus von Höxter ist
abgeschlossen. Ein DNA-Abgleich bestätigt, dass sich beide Todesopfer
in dem Gebäude aufgehalten haben.

21. September 2016: Staatsanwaltschaft Paderborn erhebt gegen
Wilfried W. und seine Ex-Frau Angelika W. Anklage wegen Mordes durch
Unterlassen.