«Ohne sie wäre ich tot» - Der Lebensretterin in die Augen schauen Von Birgit Reichert und Harald Tittel , dpa

Jedes Jahr erkranken in Deutschland mehr als 12 000 Menschen an
Leukämie. Für viele ist eine Knochenmarkspende die letzte Hoffnung.
Wie für Felicity Gain.

Birkenfeld (dpa) - Felicity Gain ist als Model gerade auf dem
Höhepunkt ihrer Karriere, als sie die Diagnose bekommt: Blutkrebs.
Eine Welt bricht zusammen. Monatelang kämpft die 24-jährige Britin
mit Chemotherapie und Bestrahlung um ihr Leben. Letztlich kann ihr
nur noch eine Knochenmark-Transplantation helfen. Nach langer Suche
wird über die Stammzellspenderdatei der Stefan-Morsch-Stiftung in
Birkenfeld eine passende Spenderin gefunden: Siobhán Kirsten
Mansfield aus Trassem in Rheinland-Pfal. Gain überlebt.

Nun, 14 Jahre später, trifft sie zum ersten Mal die Frau, die ihr das
Leben gerettet hat. Lachend liegen sich die Beiden in den Armen. «Ich
kann ihr immer wieder nur Danke sagen», sagt Gain, heute 38 Jahre
alt, die für das Treffen aus London nach Birkenfeld gekommen ist.
«Ohne sie wäre ich tot. Sie hat mir ein zweites Leben geschenkt.»

Die Frauen zusammengebracht hat die Stefan-Morsch-Stiftung,
Deutschlands älteste Stammzellenspender-Datei, die in diesem Jahr ihr
30-jähriges Bestehen feiert. Neben Gain und Mansfield kommen am
Samstag am Weltstammzellspendertag ein Dutzend weitere Spender- und
Patientenpaare in Birkenfeld zusammen. «Ganz viele Empfänger wollen
ihren Spender kennenlernen», sagt die Sprecherin der Stiftung, Andrea
Djifroudi. «So ein Treffen ist ein hochemotionaler Moment.»

Eine Kontaktaufnahme ist zwei Jahre nach einer Spende möglich. Gain
und Mansfield schreiben sich bereits seit Jahren per Mail und
Facebook. «Sich in die Augen zu schauen, ist was ganz besonderes»,
sagt Gain. «Wir werden gute Freunde werden.»

Die Hilfe sei für sie «eine Selbstverständlichkeit» gewesen, sagt
Mansfield (44), die als Sekretärin bei einer Luxemburger Bank
arbeitet. Sie hatte sich bereits 1996 bei einer Blutspende als
Stammzellspenderin der Stiftung registrieren lassen. Die
Knochenmarkentnahme sei «ganz unspektakulär» gewesen, sagt sie. «Ic
h
brauchte noch nicht einmal danach Schmerzmittel. Ich war nur ein paar
Tage schlapp.»

Rund 450 000 potenzielle Spender sind bei der Stiftung registriert.
Sie ist nach der Deutschen Knochenmarkspenderdatei (DKMS) in Tübingen
die zweitgrößte von mehr als 20 Dateien in Deutschland, deren Daten
im Zentralen Knochenmarkspender-Register Deutschland (ZKRD) in Ulm
eingespeist sind. Über diese Plattform sind derzeit sieben Millionen
Stammzellspender in Deutschland erreichbar - und dank internationaler
Vernetzung fast 29 Millionen weltweit.

Gemessen an der Einwohnerzahl sei die Spendenbereitschaft der
Deutschen weltweit führend, sagt die Sprecherin des ZKRD, Sonja
Schlegel. Zum Vergleich: In den USA stehen derzeit rund 8,4 Millionen
Spender zur Verfügung, in Großbritannien sind es knapp über 1,2
Millionen Menschen. Jedes Jahr würden rund 7000 Transplantationen mit
deutschen Spendern gemacht, sagt sie. Mehr als 5000 davon kämen
Patienten im Ausland zugute.

Die Birkenfelder Stiftung hat seit ihrer Gründung 1986 bereits mehr
als 6000 Spender vermittelt, rund um den Globus, von den USA über
Südafrika bis Australien. «Es gibt kaum ein Land, in das noch keine
Spenden gegangen sind», sagt Djifroudi. Gain, die heute als
Einkäuferin für eine Kosmetikkette arbeitet, will in Großbritannien
dafür werben, dass sich dort mehr potenzielle Spender registrieren
lassen. «Wir sind in England sehr international. Der große genetische
Pool könnte für viele Menschen eine große Chance bedeuten.»

Die Chance, in der Familie unter Geschwistern einen passenden Spender
zu finden, liegt nach Angaben der Stiftung bei nur etwa 30 Prozent.
Deshalb werden Fremdspender benötigt, die möglichst viele identische
Gewebemerkmale haben sollten. Bei Gain und Mansfield hat es geklappt,
vielleicht auch, weil beide Familien irische Wurzeln haben. «Ich bin
jetzt Du, ich habe dein Blut in mir», sagt Gain zu Mansfield - und
nimmt sie in den Arm.