Mit dem Baurecht gegen Massentierhaltung? Von Teresa Dapp, dpa

Eine Umweltministerin kann Massentierhaltung zwar kritisieren,
dagegen tun kann sie wenig. Barbara Hendricks will es trotzdem
versuchen - sozusagen durch die Hintertür.

Berlin (dpa) - In Deutschland leben 12,6 Millionen Rinder, 27
Millionen Schweine und 160,7 Millionen Hühner. Ein immer größerer
Teil ist in riesigen Ställen untergebracht. Man kann darüber
streiten, ob das Tierquälerei ist. Fest steht, dass Massentierhaltung
der Umwelt schadet - und viele Bürger Megaställe ablehnen.
Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) will ihnen helfen, sich zu
wehren.

Was ist Hendricks' Ziel?

Sie mahnt immer wieder eine Agrarwende hin zu nachhaltiger und
umweltverträglicher Landwirtschaft an. Tierwohl und Tierhaltung sind
eigentlich keine Themen für eine Umwelt- und Bauministerin - die
Umweltfolgen der Tierhaltung jedoch schon. Sie habe deshalb nach
«allen Hebeln» in ihrem Zuständigkeitsbereich suchen lassen, «um da
s
Problem der Intensivtierhaltung einzudämmen». Mit Hilfe des Baurechts
will Hendricks Bürgern und Kommunen mehr Mitspracherecht geben, wenn
ein Investor einen großen Stall bei ihnen bauen will.

Wie ist die Rechtslage bisher?

Kompliziert. Landwirtschaftliche Tierhaltungsanlagen werden in der
Regel genehmigt, ohne dass ein Bebauungsplan vorliegt. Anlagen gelten
als landwirtschaftlich, wenn die Betreiber in der Theorie über genug
Fläche verfügen, um mehr als die Hälfte des Futters selbst anzubauen.

Es ist egal, ob sie das tun oder das Futter zukaufen. Ställe, deren
Betreiber diese Fläche nicht haben, müssen seit 2013 durch ein
bauplanungsrechtliches Verfahren. Dabei haben Bürger Mitspracherecht,
und die Kommunen können mit ihren Bebauungsplänen Einfluss nehmen.

Was soll sich jetzt ändern?

Alle Ställe ab einer bestimmten Größe sollen nur noch gebaut werden
dürfen, wenn sie ein bauplanungsrechtliches Verfahren durchlaufen, an
dem Bürger beteiligt werden und in dem die Kommunen die Möglichkeit
zur Lenkung haben. So erfahren die Anwohner schon früh von den Plänen
und werden in zwei Stufen beteiligt. Die Gemeinde kann zum Beispiel
sagen: «Da darf die Anlage nicht hin, weil sich das mit unseren
Naherholungs-Interessen beißt oder wir etwas anderes dort bauen
wollen.» Zudem sollen Investoren ihre Ställe nicht mehr in kleinere
Einheiten aufteilen dürfen, um das Verfahren zu umgehen - das soll
über das Gesetz zur Umweltverträglichkeitsprüfung geregelt werden.

Was ist denn ein «großer Stall»?

Das ist genau geregelt: ab 15 000 Legehennen, 30 000 Masthähnchen,

15 000 Puten, 1500 Schweinen oder 600 Rindern. Festgelegt ist das im
Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung, die Zahlen will
Hendricks nicht ändern. Allerdings will sie über das Gesetz über die

Umweltverträglichkeitsprüfung verhindern, dass Betreiber einen großen

Stall einfach in mehrere kleine aufteilen, um Auflagen zu entgehen.

Was ist eigentlich das Problem an der Massentierhaltung?

Tierschützer und Bio-Befürworter halten die Megaställe für
Tierquälerei. Unter anderem könnten kranke Tiere nicht einzeln
entdeckt und behandelt werden, weswegen alle vorbeugend Antibiotika
bekämen. Die kämen über die Nahrung oder das Trinkwasser auch bei d
en
Menschen an. Aber auch für die Umwelt hat Massentierhaltung
Folgen: Es entstehen Feinstaub, Ammoniak und das klimaschädliche Gas
Methan. Seit 20 Jahren ist das Grundwasser in Deutschland an vielen
Stellen zu stark mit Nitrat belastet. Dazu kommt der enorme Bedarf an
Futter, dessen Anbau sehr viel Fläche in Anspruch nimmt.

Wann soll das neue Gesetz in Kraft treten?

Wenn es nach der Umweltministerin geht, bald - ob daraus etwas wird,
ist offen. Der Gesetzentwurf ist fertig und soll demnächst in die
Ressortabstimmung gehen, das Kabinett muss ich einigen. Agrarminister
Christian Schmidt (CSU), dessen Bereich sie betreffen, sieht die
Pläne kritisch.

Was sagen die Bauern?

Der Bauernverband ist nicht einverstanden: Schon jetzt seien die
Genehmigungsverfahren langwierig, kleinen Betrieben fehle der Atem
für jahrelangen Streit mit einer Behörde. Zudem biete das geltende
Recht «schon jetzt alle Instrumente, um öffentliche Belange
durchzusetzen», sagt Generalsekretär Bernhard Krüsken. Eine
Modernisierung der Tierhaltung brauche aber neue Ställe.