Zivilschutz: Wie die Bevölkerung in der Krise versorgt werden soll Von Jörg Blank, dpa

Trinkwasser, Nahrungsmittel, Medizin, Geld: Im Entwurf für ein neues
Konzept zur Zivilverteidigung schreibt die Bundesregierung auf, wie
sie die Bürger bei einem Angriff schützen will. Es geht um die Abwehr
von Terror, Cyber-Attacken oder moderne Kriegsführung.

Berlin (dpa) - Die Bundesregierung will mit einer neuen «Konzeption
Zivile Verteidigung» (KZV) Grundbedürfnisse der Menschen im Fall
eines Angriffs oder einer verheerenden Terrorattacke sichern. Es geht
etwa um die Versorgung mit Wasser, Nahrungsmitteln oder Medizin. Das
Konzept soll am Mittwoch vom Kabinett verabschiedet werden.

Die wichtigsten Themen in Stichpunkten:

- TRINKWASSER: Die Notversorgung soll über «autarke Brunnen und
Quellen in Verbindung mit einer mobilen Trinkwassernotversorgung
(Wassertransporte)» sichergestellt werden. «Leistungsstarke Brunnen
sollen an exponierten Standorten insbesondere in Großstädten und
Ballungsgebieten gebaut oder hergerichtet werden», heißt es. Zur
Desinfektion des Wassers sollen Chlortabletten eingesetzt werden.

Der Bevölkerung wird empfohlen, zur Erstversorgung «für einen
Zeitraum von fünf Tagen je zwei Liter Wasser pro Person und Tag in
nicht gesundheitsschädlicher Qualität vorzuhalten».

Die staatliche Notvorsorge sichert demnach die Minimalversorgung mit
Trinkwasser für mindestens 14 Tage. Als Mindestbedarf werden 15 Liter
pro Person und Tag, 75 Liter pro Bett und Tag in Krankenhäusern und
Pflegeeinrichtungen sowie 150 Liter in der Intensivmedizin angegeben.
Auch an Nutztiere ist gedacht: Für jede «Großvieheinheit» liege der

Mindestbedarf bei 40 Litern Wasser am Tag.

ERNÄHRUNG: Die Versorgung soll bei einer Attacke so lange wie möglich
durch die private Lebensmittelwirtschaft abgewickelt werden. Ist eine
Grundversorgung nicht mehr gewährleistet, kann die Regierung per
Rechtsverordnung in die Lebensmittelerzeugung und bei der Verteilung
einschreiten. Sprich: Es würde eine Rationierung geben.

Zum Selbstschutz werden die Bürger angehalten, einen Vorrat an
Lebensmitteln für einen Zeitraum von zehn Tagen vorzuhalten, «um
durch entsprechende Eigenvorsorge die staatlichen Maßnahmen zu
unterstützen». Konkrete Mengenangaben werden hier nicht gemacht.

MEDIZIN: Es soll geprüft werden, ob die Auslastungsreserven, die es
bei der stationären Versorgung «im Großschadensfall» gibt, auch
Kernbereiche wie Operationssäle oder Intensivstationen einbeziehen
und im Jahresdurchschnitt eine stabile Versorgung gewährleisten
würden.

Bislang ist nach dem Papier des Innenministeriums durch bestehende
Verpflichtungen eine flächendeckende Versorgung mit Arzneimitteln und
Medizinprodukten über einen Zeitraum von ein bis zwei Wochen
gesichert. Nicht erfasst sei bislang die «Situation eines sprunghaft
ansteigenden Bedarfs spezifischer Arzneimittel oder Medizinprodukte
in bestimmten Krisensituationen». Auch die Deckung eines länger als
zwei Wochen dauernden Zeitraums sei nicht erfasst.

BARGELDVERSORGUNG: Für die Kreditinstitute bestehe derzeit keine
Verpflichtung, für einen Krisenfall «eine Notfallplanung
bereitzuhalten, um zur Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung des
gesamten Bargeldverkehrs beizutragen», stellt das Innenministerium
fest. Die Bundesbank habe für ihr Haus zwar umfangreiche
Risikovorsorgemaßnahmen getroffen, die vor allem auf Ad-hoc-Maßnahmen
bei kürzeren Krisen mit einer Dauer von ein bis fünf Tagen abzielten.

Eine flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit Bargeld durch die
Bundesbank könne aber nicht geleistet werden. Dafür wären die 35
Filialen der Bundesbank im Vergleich zu rund 50 000 Geldautomaten und
den über 30 000 Bankfilialen in Deutschland «gänzlich unzureichend»
.
Eine funktionierende Logistikinfrastruktur sei deshalb «für eine
geordnete Bargeldversorgung der Bevölkerung unbedingt erforderlich».

Durch automatische Kassentresore in Bankfilialen oder an
Geldautomaten könnten die Möglichkeiten zur Geldauszahlung im
Krisenfall beeinträchtigt sein, warnen die Experten. Daher sei es
unverzichtbar, die IT-Verfügbarkeit und die Energieversorgung der
Kreditinstitute sicherzustellen. Hier dürfte es auch um Vorsorge
gegen Cyber-Attacken auf das Finanzsystem gehen.

WIE GEHT ES WEITER? Das Konzept sieht eine ganze Reihe von
Gesetzesänderungen und Prüfaufträgen vor. Unter anderem sollen die
auf Bund, Länder und Kommunen aufgeteilten Aufgaben zum Schutz der
Zivilbevölkerung besser koordiniert werden. Das Technische Hilfswerk
(THW) muss sich in diesem Zusammenhang auf Veränderungen einstellen,
bei denen die Bereiche Rettung und Bergung, Notinstandsetzung und
Notversorgung sowie Planung und Organisation neu gewichtet werden.

Geprüft werden soll unter anderem, ob für die Bevölkerung eine
persönliche Schutzausrüstung für den Fall eines Angriffs mit
chemischen, biologischen, radiologischen oder nuklearen Waffen
angeschafft werden soll.