Gesundheits-Apps: Grüne warnen vor Aushöhlung des Solidargedankens

Immer mehr Menschen nutzen Fitnessarmbänder - und immer mehr
Krankenkassen überlegen, das zu belohnen. Doch welche Folgen hat das
für ältere oder chronisch kranke Versicherte?

Berlin (dpa) - Die Grünen haben vor einer Aushöhlung des
Solidargedankens in der Krankenversicherung durch Gesundheits-Apps
gewarnt. «Beitragsermäßigungen durch die Hintertür für junge und

fitte zu Lasten älterer oder chronisch kranker Versicherter sind
zutiefst unsolidarisch», sagte die gesundheitspolitische Sprecherin
der Grünen-Fraktion, Maria Klein-Schmeink, der Deutschen
Presse-Agentur.

Die Techniker Krankenkasse (TK) erwägt, die Nutzung von
Fitnessarmbändern in ihr Bonusprogramm zu integrieren. Ein
Bonusprogramm weiche aber nichts am Solidarsystem auf, sagte TK-Chef
Jens Baas der Deutschen Presse-Agentur. «Eher im Gegenteil: Eine
Solidargemeinschaft kann nur funktionieren, wenn es in ihr auch
genügend gesunde Menschen gibt. Deshalb ist es uns wichtig, uns nicht
nur für die medizinische Versorgung Kranker einzusetzen, sondern auch
zu honorieren, wenn sich Versicherte um ihre Gesundheit kümmern.»

Klein-Schmeink argumentierte, insbesondere im Bereich der privaten
Krankenversicherung sei der Einsatz solcher Minicomputern, die den
Gesundheitszustand von Versicherten bis ins Detail vermessen könnten,
«ein weiteres Einfallstor für eine fortschreitende Aushöhlung des
Solidargedankens». Sie warf der Bundesregierung vor, hier
wegzuschauen und damit wieder einmal zu offenbaren, «wie wenig ihr an
einer starken Solidarität aller Versicherten gelegen ist».

Mit Blick auf den Datenschutz sagte die Grünen-Politikerin: «Die
Daten, welche durch den kleinen Begleiter am Handgelenk oder in der
Hosentasche erhoben werden, dürfen nicht ohne das Wissen und die
Zustimmung der Patientinnen und Patienten in die Hände Dritter
gelangen.» Patienten müssten «die volle Souveränität über ihre
Daten
erhalten. Sie müssen jederzeit entscheiden können, was mit ihren
Daten passiert.»

Nach Angaben der Bundesregierung erfreuen sich Gesundheits-Apps und
sogenannte Wearables einer zunehmenden Beliebtheit. Laut einer
Umfrage des Branchenverbandes Bitkom würde ein Drittel der befragten
Nutzerinnen und Nutzer ihre Gesundheitsdaten an Krankenkassen
weitergeben, etwa um im Gegenzug Vorzüge zu erhalten.

Es gebe zwar große Potenziale bei der Informationsvermittlung, der
Unterstützung beim individuellen Training und der Förderung des
Gesundheitsbewusstseins durch die Minicomputer, aber auch erhebliche
Risiken besonders für die sensiblen Gesundheitsdaten der
Versicherten. Nach einer Studie im Auftrag des Justizministeriums
sehen 39 Prozent der Befragten die Verwendung ihrer Daten durch
Dritte als Problem an.

TK-Chef Baas kann sich durchaus vorstellen, dass in Zukunft auch
Fitnesstracker im Bonusprogramm der Krankenkasse eine Rolle spielen.
Er stellte aber klar, dass die Teilnahme freiwillig sei. «Mit
Risikobewertung hat das nichts zu tun.» Anders als die private kenne
die gesetzliche Krankenversicherung keine Risikoprüfung oder
-bewertung ihrer Versicherten. «Jeder wird ohne Ansehen seiner Person
versichert.»