Hebammen schlagen wegen hoher Arbeitsbelastung Alarm Von Manfred Rey, dpa

Sie sehen sich als Leidtragende des Spardrucks in Krankenhäusern -
Brandenburgs Hebammen. Allzu viele werdende Mütter seien zu betreuen,
klagt ihr Verband. Er wüsste Abhilfe, aber die kostet Geld.

Potsdam (dpa/bb) - Hebammen in Brandenburg bekommen nach Darstellung
ihres Landesverbandes die Sparpolitik und den Personalabbau in
Krankenhäusern zu spüren, indem ihre Arbeitsbelastung steigt. Sie
werde immer häufiger von Oberärzten oder Klinikchefs angerufen, die
dringend eine Klinik-Hebamme bräuchten, sagte die Verbandsvorsitzende
Martina Schulze der Deutschen Presse-Agentur. Wenn wie geplant die
Kreißsäle in Strausberg (Märkisch-Oderland), Templin (Uckermark) und

Bernau (Barnim) schlössen, werde sich die Lage weiter verschlechtern.

Wegen des Geburtenrückgangs haben in Brandenburg immer weniger
Krankenhäuser eigene Entbindungsstationen. 1991 verfügten laut
amtlicher Statistik noch 40 der 67 märkischen Kliniken über
Kreißsäle; 2014 gab es nur noch 25 in den 56 Krankenhäusern. Die Zahl

der Geburtshäuser wurde um zwei auf vier reduziert. «Das bedeutet für

viele Schwangere längere Anfahrtswege und nicht selten überfüllte
Kreißsäle», erläuterte Schulze. Mit den Stationsschließungen sei
auch
das Personal verringert worden.

Auf einer Landkarte im Internet hat der Deutsche Hebammenverband
aktuell für die Mark mehr als 100 Meldungen von Frauen registriert,
die vergeblich eine Hebamme gesucht haben - überwiegend für das
Wochenbett. Dabei hätten sich nicht alle Schwangeren, die keine Hilfe
gefunden hätten, zur Registrierung gemeldet, meinte Schulze.

Nach einer bundesweiten Umfrage des Deutschen Hebammenverbandes von
2015 gibt fast jede zweite Klinik-Hebamme an, häufig drei Frauen
parallel zu betreuen. Auch vier und mehr Frauen seien Realität. Dies
stehe im Widerspruch zu der von der Arbeitsgemeinschaft
wissenschaftlich medizinischer Fachgesellschaften geforderten
Betreuung im Verhältnis 1:1, um den Frauen bei Komplikationen mit
vollem Einsatz zur Seite stehen zu können. Zudem erschwere ein hoher
Dokumentationsaufwand die Arbeit der Hebammen, die oft nur durch
viele Überstunden zu leisten sei.

Laut einer anderen Erhebung haben rund 84 Prozent der Hebammen mehr
Anfragen für eine Wochenbettbetreuung registriert als sie annehmen
können. Rund 70 Prozent lehnen bis zu fünf Frauen jeden Monat ab, 21
Prozent zwischen sechs und zehn Frauen und zwölf Prozent mehr als
zehn Frauen. Dies treffe auch auf Brandenburg zu, sagt Schulze.

Aktuelle Zahlen des Brandenburger Gesundheitsministeriums
widersprechen dieser Einschätzung auf den ersten Blick. Wie aus einer
durch eine eigene Umfrage in den Landkreisen Oberhavel und Prignitz
ergänzten Antwort auf eine parlamentarische Anfrage hervorgeht, gab
es im Juli dieses Jahres in Brandenburg 486 gemeldete freiberufliche
Hebammen, 101 mehr als im Februar 2013. Allerdings räumt das
Ministerium ein, dass Mehrfachnennungen wegen kreisüberschreitender
Tätigkeiten nicht ausgeschlossen werden können.

Verbandschefin Schulze hält die Zahlen des Ministeriums für zu hoch
gegriffen. «Wir haben knapp 400 Mitglieder in unserem Verband, diese
Zahl hat sich in den letzten Jahren kaum erhöht», sagte sie. Etliche
Kolleginnen hätten sich in mehreren Landkreisen registrieren lassen.

Die Mitte dieses Jahres um neun Prozent gestiegene
Berufshaftpflichtversicherung habe die Hebammen mit außerklinischer
Geburtshilfe finanziell belastet und könnte einzelne Existenzen
gefährden. Zwar habe sich Brandenburgs Landesregierung um einen
Krankenkassen-Ausgleich für die erhöhten Haftpflichtprämien bemüht,

sagte Schulze. Da die Beiträge aber künftig weiter stiegen, sei eine
dauerhafte Lösung dieses Problems notwendig.

Um die hohe Zahl von Überstunden und Vertretungen von Kolleginnen zu
vermindern, müsse mehr Personal in den Kliniken eingestellt werden,
forderte Schulze. Zudem müssten die Hebammen von berufsfremden
Aufgaben wie Putzen der Räume und Telefondienste entlastet werden.
Für Hebammen, die außerklinisch arbeiten, sei die Verantwortung für
Schwangere und Mütter auch bei der Vergütung zu berücksichtigen.