27 000 Röntgenblitze pro Sekunde und ein cooler Aufzug zum XFEL Von Bernhard Sprengel, dpa

Gibt es lebensfreundliche Bedingungen auf Uranus? Forscher am
Röntgenlaser-Projekt namens European XFEL suchen die Antwort auf
diese Frage nicht im All, sondern in winzigen Strukturen von Atomen.
Im nächsten Jahr soll ein besonderes Licht aus dem Tunnel kommen.

Hamburg (dpa) - In einem Betonbunker mit meterdicken Wänden will Ulf
Zastrau in das Innere von Planeten schauen. In der Anlage in
Schenefeld bei Hamburg sollen die ultrahellen Blitze des
Röntgenlasers European XFEL winzige Materialproben sichtbar machen.
Wenn sie in etwa einem Jahr ihren Betrieb aufnimmt, will Zastrau so
vorgehen: Ein Eisenpartikel zum Beispiel bekommt über einen Laser
eine Riesenmenge Energie zugeführt, und zwar ganz plötzlich, so dass
quasi keine Zeit dabei vergeht. Das Teilchen wird sofort
auseinanderfliegen.

Aber «sofort» ist eine sehr menschliche Dimension. Nach
physikalischer Rechnung lässt sich die hydrodynamische Expansion
einige Femto- also Billiardstel-Sekunden Zeit. In diesem Moment
sollen die ultrahellen Röntgenblitze die Probe treffen und ein Bild
vom Zustand des Materials liefern. «Das ist der Heilige Gral», sagt
Zastrau.

Was sehr abstrakt klingt, soll der Wissenschaft bei der Beantwortung
ewiger oder auch ganz praktischer Fragen helfen. Zastrau denkt etwa
an die Sicherheit unserer Telekommunikation und Datenübertragung. Sie
ist vom Magnetfeld der Erde abhängig. Dieses wird durch die Drehung
des hauptsächlich aus Eisen bestehenden Erdkerns erzeugt. Doch bei
starken Sonnenstürmen gibt es Probleme. Unsere Daten- und
Telefonnetze können zusammenbrechen. «Mehr über diese Zusammenhänge

zu wissen, kann nicht schaden», sagt Zastrau. Er hofft, dass
Wissenschaftler in naher Zukunft die Schwankungen des Erdmagnetfelds
und mit diesen Daten auch die Folgen von Sonnenstürmen besser
vorhersagen können.

Auch bei der Frage, ob es im Sonnensystem noch außerhalb der Erde
Leben geben könnte, will der 35 Jahre alte Forscher weiterkommen.
Entscheidend sei dabei immer, ob auf einem Planeten Wasser vorhanden
ist, in flüssiger Form, nicht als Wasserdampf oder Eis. Es gebe
Spekulationen über unterirdische Seen auf dem Uranus. «Aber ist das
Wasser in mehreren 1000 Meter Tiefe flüssig?» Um das herauszufinden,
will Zastrau in seinem geplanten Instrument für Hohe Energie-Dichte
(HED) eine Wasserprobe zwischen zwei Diamantspitzen pressen und so
Druckverhältnisse herstellen, wie sie in einem vermuteten flüssigen
Mantel unter der Planetenoberfläche herrschen. Und auch dieser Moment
soll mit Hilfe der ultrahellen Blitze des European XFEL festgehalten
werden.

Die Blitze sollen in dem 3,4 Kilometer langen Tunnel erzeugt werden,
der auf dem Gelände des Deutschen Elektronen-Synchrotron (Desy) in
Hamburg-Bahrenfeld beginnt. Elektronen werden dabei in «Paketen» auf
nahezu Lichtgeschwindigkeit gebracht. Dann rasen sie im Slalomkurs
durch bestimmte Anordnungen von Magneten und geben dabei Röntgenlicht
ab, das sich zu den Blitzen verstärkt. Der kostbare Röntgenstrahl aus
27 000 Blitzen pro Sekunde kann für mehrere Untersuchungen
gleichzeitig genutzt werden. Bislang sind in der Halle in Schenefeld
sechs wissenschaftliche Experimentierstationen geplant, Platz wäre
für 15.

Adrian Mancusos Team will Atomstrukturen von Biomolekülen sichtbar
machen. Wenn diese bekannt seien, könne das Ansatzpunkte für neue
Medikamente liefern. Diese docken an den Oberflächen von Körper- oder
Bakterienzellen an und blockieren oder verändern so bestimmte
Funktionen. Das Ziel sei, Krankheiten zu therapieren, sagt der
38-jährige Australier. Biologen aus aller Welt sollen ihre Proben in
Schenefeld untersuchen können. Für die Vorbereitung der Experimente
steht ein rund 500 Quadratmeter großes Biolabor bereit. Anders als
die «Betonhütte» - wie Mancuso den Experimentierraum seines Kollegen

Zastrau spöttisch nennt - ist sein Labor schon weitgehend
eingerichtet.

Mancusos Gedanken kreisen die meiste Zeit um komplexe Vorgänge in der
Nanowelt. Aber richtig begeistert ihn eine vergleichsweise simple
Idee. Zwischen dem Labor und dem darunterliegenden Experimentierraum
hat er einen kleinen Aufzug für den sauberen und direkten Transport
der Proben einbauen lassen. Der Aufzug sei richtig cool, sagt
Mancuso. «Ich bin sehr stolz darauf. Alles wird besser laufen.»