Gabriel rückt auch bei der Krankenversicherung von Schröder-Agenda ab Von Ruppert Mayr, dpa

Als die Arbeitgeber das erste Mal bei der Krankenversicherung
geschont wurden, lag die Konjunktur darnieder und es gab fünf
Millionen Arbeitslose. Heute brummt die Konjunktur - und die
Arbeitgeber werden immer noch geschont.

Berlin (dpa) - Zurück zur Parität. Nachdem die
SPD-Gesundheitspolitiker bereits vor einigen Wochen diese Parole für
die Finanzierung der Krankenversicherung vorbrachten, ist nun auch
SPD-Chef Sigmar Gabriel auf das Thema eingestiegen. Der
«Bild»-Zeitung (Mittwoch) sagte er: «Die SPD will, dass die
Krankenkassenbeiträge wieder zur Hälfte von Arbeitgebern und
Arbeitnehmern getragen werden.»

Grüne und Linke dürften diese Botschaft ebenso gerne hören wie

die Gewerkschaften. Denn Gabriel entfernt sich einmal mehr von der
Agenda 2010 des früheren SPD-Kanzlers Gerhard Schröder. Denn es war
die rot-grüne Regierung unter Schröder, die vor rund elf Jahren die
Parität bei den Krankenversicherungsbeiträgen aushebelte. Mitte 2005
trat die Regelung in Kraft, dass die Arbeitnehmer 0,9 Prozentpunkte
mehr bezahlen müssen als die Arbeitgeber. 

Ein Argument, das für eine solche Regelung ins Feld geführt wurde,
war die Absicht, die Arbeitgeber bei den Lohnnebenkosten zu
entlasten, um so neue Arbeitsplätze zu schaffen oder vorhandene zu
sichern. Schröder musste sich damals mit einer hohen Arbeitslosigkeit
von fünf Millionen Arbeitslosen auseinandersetzen. Und er hatte
Schwierigkeiten, die Konjunktur ins Laufen zu bringen. 

Heute liegt der allgemeine Beitragssatz, den Arbeitgeber und
Arbeitnehmer je zur Hälfte tragen müssen, bei 14,6 Prozent. Die
Kassen können einen variablen, individuellen Zusatzbeitrag erheben,
den dann aber allein die 50 Millionen Mitglieder zu tragen haben. Der
durchschnittliche Zusatzbeitrag liegt 2016 voraussichtlich bei 1,1
Prozentpunkten. 

SPD-Fraktionsvize und Gesundheitsexperte Karl Lauterbach sagte der
«Funke Mediengruppe» (Mittwoch): «Es ist ungerecht, dass die
Arbeitnehmer jetzt alle Kostensteigerungen im Gesundheitswesen allein
tragen müssen.» Doch die SPD hatte die Umstellung 2015 zu Lasten der

Arbeitnehmer in der großen Koalition mit der Union mitgetragen,
obwohl die Wirtschaft inzwischen brummt und der Arbeitsmarkt sehr
solide dasteht. Es war Lauterbach, der bei den
Koalitionsverhandlungen mit am Tisch saß, als diese Umstellung
verhandelt wurde.

Es gibt nun sicherlich Gründe, die Arbeitgeber wieder stärker an der
Finanzierung der steigenden Krankenkassen-Kosten zu beteiligen. Die
Horrorprognosen des Gesundheitsökonoms Jürgen Wasem kamen Gabriel und
Lauterbach da sicherlich entgegen. Wasem rechnete vor, der
Zusatzbeitrag für die Versicherten steige bis 2020 auf
durchschnittlich 2,4 Prozent.

Gesundheitsministerium und der Spitzenverband der Gesetzlichen
Krankenversicherung (GKV) liegen da deutlich drunter. Der
GKV-Spitzenverband rechnet mit einem jährlichen Anstieg von 0,2
Prozentpunkten. Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) warnt vor
Panikmache. Er wirft Gabriel mehr oder weniger direkt vor, die
Krankenkassenbeiträge zum Wahlkampfthema machen zu wollen. Und er
warnt den SPD-Chef, was einem parteiintern Zustimmung bringen könne,
könne einem in der Öffentlichkeit auf die Füße fallen. 

Allerdings sieht auch Gröhe die Brisanz hoher Zusatzbeiträge - und
macht Wahlkampf. Er will zwar an der jetzigen arbeitgeberfreundlichen
Regelung festhalten. Um einen Anstieg vor der Bundestagswahl 2017
aber moderat halten zu können, sollen die Krankenkassen eine
einmalige Finanzspritze von 1,5 Milliarden Euro aus den Reserven des
Gesundheitsfonds bekommen.