Verfahren gegen Auschwitz-Helfer eingestellt

Es geht um Beihilfe zum tausendfachen Mord: Ehemalige SS-Helfer
sollen vor Gericht zur Verantwortung für grausame Taten gezogen
werden. Doch dafür sind sie häufig schon zu alt.

Frankfurt/Main/Kiel (dpa) - Mehrere Verfahren gegen ehemalige
SS-Helfer sind am hohen Alter der Angeklagten gescheitert. Ein
Verfahren gegen einen 90 Jahre alten ehemaligen SS-Wachmann aus dem
NS-Vernichtungslager Auschwitz stellte die Staatsanwaltschaft
Frankfurt wegen Verhandlungsunfähigkeit ein. Nach Meinung von
Medizinern sei er gesundheitlich nicht in der Lage an der
Hauptverhandlung teilzunehmen, sagte Oberstaatsanwältin Nadja Niesen
am Dienstag. Das Verfahren wegen Beihilfe zum Mord sei bereits Ende
Juni eingestellt worden.

Auch in Schleswig-Holstein muss sich eine 92-jährige ehemalige
SS-Helferin, der Beihilfe zur Ermordung von mehr als 260 000 Juden in
Auschwitz vorgeworfen wird, voraussichtlich nicht mehr vor Gericht
verantworten. Nach einem Gutachten bleibe die Angeklagte auf Dauer
verhandlungsunfähig, teilte das Kieler Landgericht mit. Eine
wesentliche Besserung sei auch künftig nicht zu erwarten. Nach
Angaben der Gerichtssprecherin haben alle Verfahrensbeteiligten die
Möglichkeit, zum Gutachten Stellung zu nehmen. Die
Generalstaatsanwaltschaft in Schleswig lehnte eine Äußerung ab.

Die 92-Jährige soll 1944 als Funkerin der Kommandantur in Auschwitz
bei der systematischen Ermordung verschleppter Juden geholfen haben.
Sie soll Kontakt mit dem Hauptquartier gehalten, Nachrichten
entgegengenommen und Tagesberichte nach Berlin gesendet haben.

Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Frankfurt gegen einen
anderen, 94 Jahre alten SS-Wachmann aus dem NS-Vernichtungslager
Majdanek seien dagegen noch nicht abgeschlossen. Die
Verhandlungsfähigkeit des Mannes werde derzeit geprüft. Auch ihm wird
Beihilfe zum Mord vorgeworfen.

Die Einstellung eines Verfahrens gegen ehemalige SS-Wachmänner wegen
Verhandlungsunfähigkeit sei nicht ungewöhnlich, sagte der Leiter der

Zentralstelle zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen, Jens
Rommel, in Ludwigsburg. «Das gehört zu den Risiken, die Verhandlungen
im Jahr 2016 mit sich bringen.» Von 28 Verfahren, die die
Zentralstelle im Zusammenhang mit Majdanek an die
Staatsanwaltschaften abgegeben habe, seien bis auf drei alle
eingestellt worden, weil die Beschuldigten gestorben sind oder
verhandlungsunfähig waren. Zu den drei gehört das Frankfurter
Verfahren gegen den 94-Jährigen.

Wenige Tage vor Prozessbeginn war ein 93 Jahre alter ehemaliger
Auschwitz-Wachmann Anfang April in Langenselbold im hessischen
Main-Kinzig-Kreis gestorben. Dem Mann war Beihilfe zum Mord in
mindestens 1075 Fällen angelastet worden. Das Internationale
Auschwitz-Komitee hatte kritisiert, es sei über Jahrzehnte versäumt
worden, die Täter schneller vor Gericht zu stellen.
«Die Nachkriegsjustiz hat versagt.»

Auschwitz-Überlebende zeigten sich zudem empört über den ihrer
Auffassung nach schleppenden Verlauf des Revisionsverfahrens gegen
den früheren SS-Mann Oskar Gröning (95). Die Revision warte seit über

einem Jahr auf einen Abschluss, mahnte Christoph Heubner vom
Auschwitz-Komitee. «Der Bundesgerichtshof lässt sich viel Zeit»,
kritisierte er am Dienstag in Berlin. Dabei werde sich seine
Entscheidung auf alle weiteren derzeit angestrengten NS-Verfahren
auswirken. «Wann mit einer Entscheidung zu rechnen ist, ist derzeit
nicht absehbar», heißt es dazu aus dem Bundesgerichtshof.

Gröning wurde im Juli 2015 vom Landgericht Lüneburg wegen Beihilfe
zum Mord in mindestens 300 000 Fällen zu vier Jahren Haft verurteilt.
Sowohl Nebenklage als auch Verteidigung legten Revision ein. Der
frühere Freiwillige der Waffen-SS hatte eingeräumt, Geld aus dem
Gepäck der Verschleppten gezählt und weitergeleitet zu haben.