Zwei Jahre nach dem Hype: Was bleibt von der «Ice Bucket Challenge»? Von Christina Horsten, dpa

Der Sommer 2014 war eisig: Ob Bill Gates oder Kim Kardashian, jeder
schien sich Eiswasser über den Kopf zu kippen. Die «Ice Bucket
Challenge» brachte Aufmerksamkeit und Spenden für die Krankheit ALS.
Zwei Jahre später bleibt die Frage: Was hat das Ganze gebracht?

New York (dpa) - Ob im BH wie Sängerin Helene Fischer, im Whirlpool
wie Schauspieler Robert Downey Jr. oder im blauen Hemd wie
Microsoft-Gründer Bill Gates - im Sommer 2014 schien sich so ziemlich
jeder einen Eimer Eiswasser über den Kopf zu gießen. Die «Ice Bucket

Challenge» eroberte die Welt und die Videos davon das Internet. Wer
sich dem Eiswasser nicht aussetzen wollte, wie beispielsweise
US-Präsident Barack Obama, der spendete. Viele taten beides. Im Kampf
gegen die Nervenkrankheit ALS kamen so weltweit Millionen zusammen.

Wer die Aktion erfand und wann, lässt sich nicht mehr genau
rekonstruieren, aber die «Ice Bucket Challenge» stammt wohl aus den
USA und im Sommer 2014 verbreitete sie sich über die sozialen
Netzwerke rasant. Die Idee dahinter: Sich einen Eimer Eiswasser über
den Kopf schütten, das Video davon im Internet hochladen, und einen
oder mehrere andere Menschen auffordern, das auch zu tun. Dann
spenden. Wer vor dem Eiseimer kneift, sollte noch mehr Geld geben.
Zwei Jahre später bleibt die Frage: Was hat das Spenden-Spektakel
gebracht? 

Ein «spektakuläres und erfolgreiches Ereignis» sei die
Eiseimer-Herausforderung im Rückblick betrachtet gewesen, sagt Thomas
Meyer, Leiter der ALS-Ambulanz an der Berliner Charité. «Es entstand
eine unmittelbare finanzielle Unterstützung für Institute,
Arbeitsgruppen und Kliniken, die sich für die Erforschung der ALS und
die Versorgung von ALS-Patienten engagieren. Zugleich ist eine
gesellschaftliche Aufmerksamkeit entstanden, die für eine seltene
Erkrankung sehr ungewöhnlich ist.» Allein die ALS-Ambulanz nahm durch
das Spektakel rund 1,6 Millionen Euro Spenden ein und konnte unter
anderem Programme zur ALS-Forschung und zur Verbesserung der
Versorgungsstrukturen auflegen.

Weltweit am meisten Spenden sammelte die amerikanische ALS
Association ein: 92 Millionen Euro in acht Wochen. Und die
US-Forscher sind es auch, die seitdem mit den spektakulärsten
Nachrichten aufwarten können. Mehr als 150 wissenschaftliche
Untersuchungen seien mit dem Geld bereits unterstützt worden, teilt
die ALS Association mit. Zudem seien zwei neue Medikamente entwickelt
und vor allem drei neue Gene entdeckt worden, die in Zusammenhang mit
ALS stehen.

Zuletzt fand eine US-europäische Forscherkooperation das Gen NEK1,
einen der wohl wichtigsten Bausteine zum Verständnis von ALS. «Diese
Forschung wäre ohne die «Ice Bucket Challenge» in dieser Form nicht
möglich gewesen», sagt Charité-Ambulanzleiter Meyer. «Es handelt si
ch
um das Ergebnis eines gigantischen Projektes. Von insgesamt 13 000
ALS-Patienten wurde das gesamte Genom analysiert.»

Die Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) ist eine nach wie vor unheilbare
Krankheit. Über ihre genauen Ursachen und Mechanismen ist bislang
wenig bekannt. Klar ist: Die Betroffenen können sich im Verlauf der
Erkrankung nicht mehr bewegen, und haben Schwierigkeiten beim
Schlucken, Sprechen und Atmen. Das Bewusstsein und der Intellekt
bleiben aber in der Regel intakt. Etwa die Hälfte der Patienten
stirbt innerhalb der ersten drei Jahre, meist an Atemlähmung. Die
meisten Fälle treten spontan auf. Am häufigsten erkranken Menschen im
Alter von 50 bis 70 Jahren, Männer etwas häufiger als Frauen.

ALS ist keine Volkskrankheit. Es sind vergleichsweise wenig Menschen
betroffen, in Deutschland etwa 8000. Deswegen ist es für
Forschungseinrichtungen und Hilfsorganisationen normalerweise sehr
schwer, an Gelder zu kommen. Seit der «Ice Bucket Challenge» sei die

Spendenbereitschaft insgesamt aber gestiegen, sagt Ambulanzleiter
Meyer. «Die Spenden stammen allerdings zumeist von Menschen, die
einen spezifischen Bezug zur ALS haben. So spenden Trauergemeinden,
die einen Angehörigen durch die ALS verloren haben, zur Unterstützung
unserer Arbeit.»

Was seit der «Ice Bucket Challenge» fehle, sei die Nachhaltigkeit.

«Die ALS-Ambulanzen in Deutschland sind nach wie vor dramatisch
unterfinanziert», kritisiert Meyer. «Auch eine Grundausstattung für
ALS-Forschung ist in Deutschland nicht vorhanden.»

Die «Ice Bucket Challenge» sei «wahrscheinlich einmalig» und werd
e
sich nicht so leicht wiederholen lassen, sagt Meyer. Es gebe
inzwischen in Deutschland aber ein Netzwerk mit prominenten
Unterstützern wie dem früheren Bundeskanzler Gerhard Schröder oder
dem Sänger Udo Lindenberg, die zum Beispiel bei Spendengalas oder
Oldtimer-Rallyes Gelder einsammelten. «Die Offenheit, auf
ungewöhnlichen Wegen Menschen mit ALS zu unterstützen, ist durch die
«Ice Bucket Challenge» deutlich gestiegen.»