WHO: Erste Polio-Fälle seit über zwei Jahren in Afrika

Die Kinderlähmung ist zurück in Afrika. Nigeria meldet zwei Fälle.
Bei dem Kampf gegen das Virus müssen die Helfer teils schwierige
Hürden nehmen: Islamisten sehen in den Impfungen eine Verschwörung.

Genf/Abuja (dpa) - Der weltweite Kampf gegen die Kinderlähmung hat
nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) einen Rückschlag
erlitten. In Nigeria hätten sich zwei Kinder mit dem Polio-Virus
infiziert, teilte die UN-Behörde Donnerstagabend in Genf mit. Die
Minderjährigen sollen Lähmungserscheinungen zeigen. Die beiden Fälle

im Bundesstaat Borno im Nordosten des Landes sind laut WHO der erste
Ausbruch seit über zwei Jahren in Afrika.

Die nigerianische Regierung will nun in Borno rasch eine Million
Kinder impfen lassen. Weitere vier Millionen Kinder sollen in den
angrenzenden Bundesstaaten geimpft werden, wie das
Gesundheitsministerium in Abuja erklärte.

In dem betroffenen Gebiet sind allerdings auch die islamistischen
Terroristen der Boko Haram aktiv. Manche Landstriche sind daher nicht
unter der Kontrolle der Regierung. Die beiden bestätigten
Polio-Erkrankungen ereigneten sich in einem Gebiet, zu dem Helfer und
Behörden erst kürzlich wieder Zugang erhalten hatten.

Die WHO zeigte sich alarmiert. «Das ist eine wichtige Erinnerung,
dass die Welt es sich nicht leisten kann, selbstgefällig zu sein,
kurz vor der Polio-Ausrottung», sagte der für Polio zuständige
WHO-Direktor, Michel Zaffran. 1988 gab es weltweit noch 350 000
Neuerkrankungen. 2016 wurden weltweit nur noch 21 Polio-Fälle in
Pakistan und Afghanistan verzeichnet.

Kinderlähmung (Poliomyelitis) ist eine ansteckende Virus-Erkrankung.
Sie wird hauptsächlich durch Fäkalien übertragen. Eine von 200
Infektionen führt laut WHO zu dauerhaften Lähmungen. Von diesen
Erkrankten sterben fünf bis zehn Prozent, weil die Atemmuskeln
betroffen sind. Eine spezielle Therapie gibt es nicht.

Mitarbeiter von Impfteams wurden in Nigeria und Pakistan immer wieder
von radikalen Islamisten angegriffen und getötet. Die Islamisten
glauben, die Impfungen seien Teil einer Verschwörung des Westens und
sollten Muslime unfruchtbar machen. Deshalb sei es umso wichtiger,
die Impfungen auch in hart umkämpften Zonen weiterzuführen,
bekräftigte die WHO. Nur so könne Afrika poliofrei werden.

Die sunnitischen Extremisten der Boko Haram terrorisieren seit 2009
den Nordosten Nigerias und die angrenzenden Gebiete im Tschad, Niger
und Kamerun. Seither haben sie mindestens 14 000 Menschen getötet.