Chefarztkündigung: EU-Gericht soll Kirchensonderrechte prüfen

Als Arbeitgeber genießen die Kirchen Sonderrechte: Es darf nicht
gestreikt werden und eine Wiederheirat nach Scheidung kann wie im
Fall eine Chefarztes die Kündigung bedeuten. Nun ruft das
Bundesarbeitsgericht den Europäischen Gerichtshof an.

Erfurt (dpa) - Der Streit um die Kündigung eines Chefarztes durch ein
katholisches Krankenhaus in Düsseldorf wegen dessen zweiter Ehe soll
den Europäischen Gerichtshof beschäftigen. Der Fall werde den
Richtern in Luxemburg vorgelegt, erklärte der Zweite Senat des
Bundesarbeitsgerichts (BAG) am Donnerstag in Erfurt. Es geht dabei um
den Gleichbehandlungsgrundsatz und damit den Schutz vor
Benachteiligung unter anderem wegen Religion oder Alter.

Kündigungsgrund für den 54 Jahre alten Chefarzt am katholischen St.
Vinzenz-Krankenhaus in Düsseldorf war seine Wiederheirat nach einer
Scheidung. Der Fall beschäftigt seit 2009 die deutschen Gerichte. Der
Mediziner verstieß aus Sicht seines Arbeitgebers gegen die
katholische Glaubens- und Sittenlehre und gegen seine
Loyalitätspflichten laut Arbeitsvertrag.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) solle nun prüfen, ob europäisches

Recht es zulässt, dass ein kirchlicher Arbeitgeber unterschiedliche
Loyalitätsanforderungen an leitende Mitarbeiter stellt, erklärte das
Bundesarbeitsgericht. Es gehe darum, ob er dabei zwischen
Arbeitnehmern unterscheiden darf, die wie im verhandelten Fall der
katholischen Kirche, einer anderen Kirche angehören oder
konfessionslos sind. Das Bundesarbeitsgericht setzte das Verfahren
bis zu einer Entscheidung der europäischen Richter aus.

Die Kirchen haben in Deutschland ein vom Grundgesetz verbrieftes
Selbstbestimmungsrecht, das auch für ihre Rolle als Arbeitgeber von
Hunderttausenden Angestellten gilt. Nach Meinung des
religionspolischen Sprechers der Grünen, Volker Beck, ist eine Reform
des kirchlichen Arbeitsrechts dringend erforderlich - auch angesichts
der Diskussion um die Gründung eine islamischen Wohlfahrtsverbandes,
erklärte er.

Es gehe ihm nicht darum, das kirchliche Selbstbestimmungsrecht
infrage zu stellen, sagte der Anwalt des Arztes, Norbert Müller. Aber
es dürfte keinen Automatismus geben, dass bei einer Wiederheirat nach
Scheidung automatisch der Jobverlust drohe. «Es muss eine
Einzelabwägung geben. Die Kirche ist nicht der Rechtsprechung
entzogen», sagte Müller. Bei Neueinstellungen bei kirchlichen
Einrichtungen spiele es oft keine Rolle, ob die Kandidaten in zweiter
Ehe lebten.

Der Anwalt der katholischen Klinik, Burkhard Göpfert, sagte: Dass ein
Bischof Loyalitätsanforderungen an kirchliche Mitarbeiter autonom
festlegen könne, «mag uns fremdartig vorkommen. Aber das ist so in
einer christlichen Kirche.» Sein Mandant habe ein Interesse an einer
abschließenden Klärung des Falls.

Das Bundesarbeitsgericht musste sich bereits zum zweiten Mal mit dem
Fall befassen, nachdem das Bundesverfassungsgericht sein erstes
Urteil von 2011 für unwirksam erklärte. Die Verfassungsrichter sahen
bei dem ersten Urteil aus Erfurt das Selbstbestimmungsrecht der
Kirche zu wenig beachtet.