Ärzte: Männer verarbeiten schwere Krankheiten anders als Frauen Von Roland Beck, dpa

Frauen ticken anders, Männer erst recht. Ärzte informieren sich am
Wochenende bei einem Kongress in Nürnberg über die
Geschlechterforschung in der Medizin. Etliche Unterschiede können
Auswirkungen auf den Verlauf einer Krankheit haben.

Nürnberg (dpa) - Besonders bei schweren Krankheiten müssen Ärzte das

Geschlecht der Patienten nach Ansicht von Experten stärker
berücksichtigen. Darauf haben Ärzte im Vorfeld eines Kongresses zur
Geschlechterforschung in der Medizin am Samstag in Nürnberg
hingewiesen. So würden Männer ihre Gefühle weniger deutlich
wahrnehmen und weniger kommunizieren als Frauen. Doch es gibt noch
mehr Unterschiede. Fragen und Antworten zur Genderforschung in der
Medizin.

Können Frauen schwere Erkrankungen besser verkraften als Männer?

«Krebserkrankungen werden oft unterschiedlich bewältigt», sagt
Professor Wolfgang Söllner, Chefarzt der Klinik für Psychosomatische
Medizin und Psychotherapie am Klinikum Nürnberg. Während Frauen
häufiger mit schweren Ängsten, Depression und chronischer Müdigkeit
reagieren, steht für Männer der Wunsch nach Autonomie und Kontrolle
im Vordergrund. Es gilt laut Söllner das Muster: «Frauen wollen
reden, Männer wollen handeln.»

Sind Frauen tatsächlich vor Herzinfarkten geschützt?

Frauen erleiden bis zu den Wechseljahren seltener einen Herzinfarkt
als Männer. Mediziner sehen den Grund in einem Hormon, das Frauen bis
dahin vor einem Infarkt schützt - aber eben nicht immer! Die Gefahr:
Frauen unterschätzen die typischen Symptome, wie Stechen im
Brustbereich. Und sie haben bei einem Herzinfarkt häufiger auch
unspezifische Symptome, zum Beispiel Schmerzen im Oberbauch.

Wirken Medikamente anders auf Frauen als auf Männer?

Die Pharmakologin Karin Nieber von der Universität Leipzig verweist
auf den Fall des Schlafmittels Zolpidem: Frauen bauen den Wirkstoff
langsamer ab, was am Morgen nach der Einnahme noch zu eingeschränktem
Reaktionsvermögen führen kann. Wissenschaftler fanden zudem heraus,
dass Schmerzmittel bei Frauen oft schlechter und kürzer wirken als
bei Männern. Beruhigungsmittel haben dagegen bei Frauen offenbar
einen längeren und intensiveren Effekt.

Wer nimmt mehr Medikamente: Frauen oder Männer?

Am Klinikum Nürnberg führte das Team um die Pharmazeutin Annette
Sattler eine Umfrage durch: Patienten, die in die Notaufnahme kamen,
wurden gefragt, welche Medikamente sie einnehmen - auch nicht
verschreibungspflichtige. Das Ergebnis: Frauen nahmen prinzipiell
mehr Medikamente ein, die sie sich selbst in der Apotheke besorgten.
Einen auffälligen Unterschied gab es bei den sogenannten
Stimmungsaufhellern: Der Anteil an Patienten mit Antidepressiva lag
bei den Frauen bei 20 Prozent, bei den Männern bei 12 Prozent.

Spielt bei der Behandlung von Krankheiten auch die Herkunft des
Patienten eine Rolle?

«Die Wirksamkeit von Wirkstoffen kann davon abhängen, aus welcher
Region der Welt die eigenen Vorfahren kommen», betont Pharmazeutin
Sattler. Bei Japanern kann etwa das Enzym, das für die
Verstoffwechselung von Alkohol zuständig ist, weniger häufig
vorhanden sein - entsprechend muss die Dosis bestimmter Medikamente
angepasst werden. Deshalb sei neben der Geschlechterforschung auch
zunehmend die personalisierte Medizin auf dem Vormarsch.