Unabhängige Patientenberatung und ein unveröffentlichter Bericht Von Ruppert Mayr, dpa

Was muss die Krankenkasse bezahlen? Bin ich von meinen Arzt gut
beraten? In Konfliktfällen kann sich der Patient bei der Unabhängigen
Patientenberatung Hilfe holen. Diese wird zur Zeit neu vergeben. Es
gibt Zweifel, dass damit die Position des Patienten gestärkt wird.

Berlin (dpa) - Spätestens seit Juni liegt ein Papier auf dem Tisch
des Patientenbeauftragten der Bundesregierung, Karl-Josef Laumann
(CDU), das eigentlich schon zum 1. Juli veröffentlicht werden sollte.
Es ist der Jahresbericht der Unabhängigen Patientenberatung
Deutschland (UPD). Er fällt einmal mehr vor allem für die
gesetzlichen Krankenkassen sehr unangenehm aus.

Mehr als 80 000 Beratungsgespräche weist der Monitor
Patientenberatung 2015 aus, der der dpa vorliegt. In gut einem
Drittel der Fälle (29 131) fragten Patienten nach «möglichen
Ansprüchen gegenüber Kostenträgern». Die mit Abstand häufigsten
Probleme der Patienten traten hier wie in den Vorjahren beim Thema
Krankengeld auf, knapp 32 Prozent.

Der 49-jährige Familienvater Bernd S. - so ein Beispiel - hat Krebs.
Nach Auslaufen seines befristeten Arbeitsvertrages bekommt er
Krankengeld. Als seine Arbeitsunfähigkeit an einem Sonntag ausläuft,
geht er am Montag zum Arzt, um sie verlängern zu lassen. Der schreibt
in weitere vier Wochen krank. Eine Woche später erhält der Vater von
drei Kindern eine Brief von seiner Kasse, in dem ihm mitgeteilt wird,
dass er kein Krankengeld mehr bekomme. Die Arbeitsunfähigkeit sei
nicht lückenlos nachgewiesen. Auch arbeitslos kann er sich nun nicht
mehr melden, da er ja arbeitsunfähig ist.

Die Informationspolitik der Kassen habe sich zwar im vergangenen Jahr
verbessert, so der UPD-Bericht. Dennoch komme es immer noch zu häufig
vor, dass der Anspruch auf Krankengeld aus rein formalen Gründen
verloren gehe - trotz faktischer Arbeitsunfähigkeit.

Hilfsmittel wie Hörgeräte, Prothesen, Stöcke oder auch Windeln
«tragen zu einer möglichst selbstbestimmten Teilhabe am
gesellschaftlichen Leben bei», heißt es im Bericht. Die Praxis: Die
72-jährige Inge B. leidet aufgrund einer Parkinson-Erkrankung unter
starker Inkontinenz. Da sie die Kosten für die Windelhosen auf Dauer
nicht selbst tragen kann, bekommt sie vom Arzt eine entsprechende
Verordnung.

Ihre Kasse verweist sie an einen Vertragslieferanten, der die Windel
für einen monatlichen Betrag von 14,99 Euro anbietet. Ergebnis: Die
Windel laufen nach kurzer Zeit aus. Die 72-Jährige hat ein ständiges
Nässegefühl, die Haut entzündet sich, sie bekommt eine Pilzinfektion.

Die Krankenkasse verweist sie an den Hersteller. Dies bleibt ohne
Erfolg.

Die Auswertungen bestätigten weitgehend die Ergebnisse von 2013 und
2014, heißt es im UPD-Bericht. «Damit erhärten sich die Hinweise der

UPD auf bestimmte Problemlagen im Gesundheitswesen.» Nach Worten der
Grünen-Gesundheitspolitikerin Maria Klein-Schmeink waren die
UPD-Berichte immer auch «Grundlage für gesetzliche Korrekturen». In
der Tat ist der Gesetzgeber gerade dabei, die Lücken beim Krankengeld
zu schließen - etwa, wenn die Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit am
Wochenende ausläuft.

Doch es ist wohl der letzte Monitor Patientenberatung der UPD. Und
Laumann will sich diesen öffentlichen Auftritt, der regelmäßig zur
Verärgerung bei den Kassen führte, offensichtlich ersparen. Ein
derzeit laufendes Ausschreibungsverfahren für die künftige
Patientenberatung ist in der Entscheidungsphase. Den Zuschlag wird
wohl das Unternehmen Sanvartis bekommen, das bereits Dienstleister
für Krankenkassen ist.

Nicht nur in der Politik, auch in der Ärzteschaft, die in den
bisherigen UPD-Jahresberichten selbst nicht ungeschoren davon kam,
bestehen Zweifel an einer unabhängigen Beratung des Unternehmens. Und
es gibt Befürchtungen, dass die Seismographenfunktion des jährlichen
Monitorings für Missstände im Gesundheitswesen verloren geht - wenn
es überhaupt noch in der bisherigen Form öffentlich gemacht wird.

Klein-Schmeink sagte der Deutschen Presse-Agentur: «Ich befürchte,
dass die Öffentlichkeit eine in dieser Form aufbereitete Darstellung
der Probleme im Gesundheitswesen nicht mehr erhalten wird, sollte ein
Call-Center, das gleichzeitig für Krankenkassen und
Leistungserbringer tätig ist, die Patientenberatung in Zukunft
übernehmen. Das wäre ein herber Verlust.»