Krankenversicherten drohen höhere Beiträge - Kassendefizit steigt

Nach Jahren mit Überschüssen wird das Geld bei den Krankenkassen
knapper. Nun zeichnet sich ein deutliches Defizit ab - und damit
höhere Beiträge. Und die Reformen der Regierung bringen weitere
Belastungen, sagen die Kassen.

Berlin (dpa) - Die gesetzlich Krankenversicherten müssen im kommenden
Jahr mit höheren Beiträgen rechnen, weil die Defizite der Kassen
deutlich zunehmen. «Zum Jahreswechsel ist ein Anstieg des
durchschnittlichen Zusatzbeitragssatzes um 0,2 bis 0,3
Beitragssatzpunkte realistisch», sagte der Sprecher des
GKV-Spitzenverbandes Florian Lanz am Dienstag in Berlin. Die SPD will
angesichts dieser Entwicklung wieder zur paritätischen Finanzierung
durch Arbeitnehmer und Arbeitgeber zurückkehren.

Nach Jahren mit Überschüssen und Prämienzahlungen an ihre Mitglieder

fuhren die Krankenkassen laut «Handelsblatt» (Dienstag) im ersten
Halbjahr ein Defizit von fast einer halben Milliarde Euro ein. Die
Innungskrankenkassen lagen bei einem Minus von 118 Millionen Euro,
die Betriebskrankenkassen bei 100 Millionen, die Ersatzkassen bei 191
Millionen Euro. Die Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK) hatten ein
Defizit von 110 Millionen Euro.

Der GKV-Spitzenverband begründet diese Entwicklung damit, dass der
bis Ende vergangenen Jahres geltende Einheitsbeitrag von 15,5 Prozent
etlichen Kassen mehr Geld einbrachte, als sie tatsächlich an Ausgaben
hatten. So konnten sie zum Teil Prämien auszahlen. Hinzu kommen
Mehrausgaben vor allem für Arzneimittel und Kliniken.

Ende 2014 verfügte die Gesetzliche Krankenversicherung noch über ein
Finanzpolster von mehr als 28 Milliarden Euro. Die Reserve des
Gesundheitsfonds belief sich auf 12,5 Milliarden, die der Kassen auf
15,5 Milliarden Euro.

Der Beitragssatz zur Krankenversicherung setzt sich seit Jahresbeginn
zusammen aus einem allgemeinen, festen Bestandteil von 14,6 Prozent,
den Arbeitnehmer und Arbeitgeber je zur Hälfte bezahlen, sowie einem
Zusatzbeitrag. Diesen bestimmen die Kassen nach Finanzlage regelmäßig
neu. Er wird allein von den Arbeitnehmern getragen.

Für das laufende Jahr wird mit einem durchschnittlichen Zusatzbeitrag
von 0,9 Prozentpunkten gerechnet. Manche Kassen liegen unter diesem
Durchschnittswert, manche leicht darüber. Stiege der Zusatzbeitrag
zum Jahreswechsel um durchschnittlich 0,3 Prozentpunkte, wäre das bei
einem monatlichen Bruttoeinkommen von 3000 Euro eine Mehrbelastung
für den Arbeitnehmer von 9 Euro.

Der für Gesundheitspolitik zuständige SPD-Fraktionsvize Karl
Lauterbach unterstrich, die Arbeitnehmer könnten die
Kostensteigerungen im Gesundheitswesen nicht allein tragen. Er wies -
ähnlich wie Lanz - darauf hin, dass die Reformen der großen Koalition
von Union und SPD Mehrkosten bedeuteten, etwa für die Krankenpflege,
für eine bessere Versorgung der ländlichen Regionen mit Ärzten oder
für Kliniken.

Das Ministerium erklärte, es gebe keinen Anlass, den Beratungen des
Schätzerkreises durch Spekulationen vorzugreifen. Das Gremium trete
im Oktober zusammen, um seine Einnahmen und Ausgaben-Prognose für das
Folgejahr vorzunehmen. Die Ergebnisse werden im November vorliegen.
Die «Bild»-Zeitung zitierte indessen aus einer Unterrichtung des
Bundestages durch das Finanzministerium, in der «eine Steigerung des
durchschnittlichen Zusatzbeitrags bei der Gesetzlichen
Krankenversicherung» nicht mehr völlig ausgeschlossen scheint.

Die Grünen-Gesundheitspolitikerin Maria Klein-Schmeink erklärte: «B
is
2017 werden die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit
Zusatzbeiträgen von 1,4 bis 2 Prozent rechnen müssen.» Durch das
Einfrieren des Arbeitgeberanteils bei 7,3 Prozent müssten nun allein
die Versicherten die stetig steigenden Kosten schultern.