Justiz verhaftet Arzt in Organspende-Skandal Von Matthias Brunnert, dpa

Seit Sommer vergangenen Jahres werden immer neue Manipulationen an
deutschen Transplantationszentren bekannt. Jetzt gehen die
Strafverfolger erstmals konkret gegen einen Mediziner vor.

Göttingen (dpa) - Erstmals hat die Justiz im Organspende-Skandal
einen Arzt verhaftet. Ein halbes Jahr, nachdem entsprechende Fälle am
Uniklinikum Göttingen bekanntwurden, erließ das Amtsgericht
Braunschweig am Freitag einen Haftbefehl gegen den früheren leitenden
Transplantationsarzt. Das teilte die Staatsanwaltschaft Braunschweig
mit. Der 45-Jährige, der in seiner Göttinger Wohnung festgenommen
wurde, sitze wegen Fluchtgefahr in Untersuchungshaft, sagte
Sprecherin Birgit Seel der Nachrichtenagentur dpa. Der Arzt habe zwar
einen deutschen Pass, stamme aber aus dem arabischen Raum.

Der 45-Jährige soll auch am Uniklinikum Regensburg Patientendaten
manipuliert haben. Er ist der erste Arzt in einer Reihe von aktuellen
Organspende-Skandalen, der strafrechtlich belangt wird. Neben
Regensburg sollen Mediziner auch an den Unikliniken in München und
Leipzig gegen Richtlinien zur Organvergabe verstoßen haben.

Dem Göttinger Mediziner werde Körperverletzung mit Todesfolge in
einem Fall, versuchter Totschlag in neun Fällen sowie schwere
Körperverletzung vorgeworfen, sagte Behördensprecherin Seel. Er soll
vorsätzlich falsche Gesundheitsdaten von neun Patienten an die
Vergabe-Organisation Eurotransplant gemeldet haben. Er hat die
Patienten den Ermittlern zufolge fälschlicherweise als Dialyse-Fälle
ausgegeben. Der Anwalt des Arztes hatte die Vorwürfe gegen seinen
Mandanten in der Vergangenheit wiederholt zurückgewiesen. Er war am
Freitag für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

Das Handeln des Arztes habe die Patienten auf der Warteliste für
Spenderlebern nach oben gerückt. Die hätten so bevorzugt Organe
erhalten, heißt es weiter in den Vorwürfen. Als Folge hätten andere
lebensbedrohlich erkrankte Patienten keine Spenderorgane bekommen.
Sie seien möglicherweise deshalb gestorben. Der Arzt habe dies
zumindest billigend in Kauf genommen.

Zudem bestehe der dringende Verdacht, dass der Mediziner einer
Patientin in Göttingen trotz einer gefährlichen weiteren
Vorerkrankung eine Spenderleber übertragen habe, obwohl dies
medizinisch nicht erforderlich war. Die Patientin sei an den Folgen
der Transplantation gestorben. Einem weiteren Patienten habe der Arzt
eine Leber übertragen, obwohl dies ebenfalls nicht erforderlich
gewesen sei. Der Mann sei später gestorben. Für den Vorwurf der
Bestechlichkeit gebe es dagegen bisher keine Beweise, sagte Seel.

An den Unikliniken in München und Leipzig sollen ebenfalls Ärzte
gegen Richtlinien bei der Vergabe von Organen verstoßen haben. In
Leipzig sollen 38 Patienten fälschlich als Dialyse-Fälle geführt
worden sein, damit sie auf der Warteliste für Spenderlebern nach vorn
rutschten. Der Direktor der Transplantationsklinik und zwei Oberärzte
wurden beurlaubt. Die Staatsanwaltschaft prüft die Vorwürfe. In
München sollen Fachleute Unregelmäßigkeiten aufklären.

Als Folge der Organspendeaffären prüfen seit September 2012 zwei
unabhängige Kommissionen gezielt Lebenstransplantationsprogramme.
Politiker und Mediziner fürchten, dass die Spendenbereitschaft wegen
dieser Vorfälle weiter sinkt. In Deutschland warten rund 12 000
Patienten auf ein Organ. Nach Zahlen der Deutschen Stiftung
Organspende gab es zwischen Januar und September 2012 aber nur 829
Spenden - rund 70 weniger als im Vorjahr.

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