Gänse und Hühner totgespritzt - Justiz lässt Züchter warten Von Andreas Hummel, dpa

Nach einem Fund des Vogelgrippevirus H5N1 wurden vor vier Jahren 1200
Gänse, Hühner und Enten auf der Saalfelder Höhe gekeult. Gegen das
aus ihrer Sicht «sinnlose Töten» zogen die Züchter vor Gericht. Doc
h
die Justiz lässt sie seither auf eine endgültige Entscheidung warten.

Weimar/Volkmannsdorf (dpa) - Die weltweite Vogelgrippe-Seuche von
einst ist längst in Vergessenheit geraten und hat der Angst vor
Dioxin und dem EHEC-Darmkeim Platz gemacht. Nicht so auf der
Saalfelder Höhe in Thüringen. Nach dem Fund des Virus H5N1 wurden vor
vier Jahren kurzerhand rund 1200 Gänse, Enten und Hühner
totgespritzt. Die größtenteils betagten Geflügelzüchter warten bis

heute auf eine endgültige Entscheidung der Justiz, ob dies überhaupt
rechtens war. Das Geraer Verwaltungsgericht hat schon im März 2008
ein erstes Urteil gesprochen, doch seither liegt der Fall beim
Weimarer Oberverwaltungsgericht (OVG). Und liegt und liegt und liegt.

Gerichtssprecher Hans-Peter Hüsch räumt ein, dass es sich um eines
der langwierigsten Verfahren am OVG handelt. «Im Durchschnitt dauern
solche Zulassungsverfahren nicht so lange.» Denn im vorliegenden Fall
müssen die Richter noch nicht einmal eine Entscheidung über den
konkreten Sachverhalt treffen, sondern zunächst einmal nur darüber,
ob gegen das Urteil aus Gera überhaupt eine Berufung zugelassen wird.
Seit nunmehr drei Jahren steht diese Entscheidung aus.

«Da die Hühner ohnehin tot sind, steht das Verfahren bei uns nicht
ganz oben auf der Prioritätenliste», erläutert Hüsch. Bislang seien

immer wieder andere, eiligere Klagen dazwischengekommen. Zudem machte
er personelle Engpässe sowie die insgesamt komplexe Thematik für die
lange Verzögerung verantwortlich.

Rückblende: Am 6. Juli 2007 wird bei einer verendeten Gans in
Wickersdorf das Virus H5N1 nachgewiesen. Damit tritt nach mehr als
einem Jahr der auch für den Menschen gefährliche Erreger wieder bei
Nutzgeflügel in Deutschland auf. Das Veterinäramt des Landkreises
Saalfeld-Rudolstadt entscheidet daraufhin, das Nutzgeflügel im
Umkreis von drei Kilometern zu keulen. War erst nur von einigen
Dutzend Tieren die Rede, schnellte die Zahl rasch auf rund 1200 hoch.
Denn etliche Geflügelhalter hatten ihre Tiere nicht gemeldet. Viele
büßten nun jäh den Erfolg ihrer jahrzehntelangen Zucht teils an vom
Aussterben bedrohten Rassen ein.

Ein solches «sinnloses Töten» dürfe sich nicht wiederholen, laut
et
seither die Devise der Züchter. Sie zogen vor Gericht. Denn bei
keinem einzigen der getöteten Vögel wurde das Virus entdeckt. In
erster Instanz bekamen sie nicht recht. Das Geraer Verwaltungsgericht
wies die Klage von 13 Züchtern zurück. Die Behörden seien rechtmä
ßig
zum Ergebnis gekommen, dass die Tötung der Tiere im Sperrgebiet
erforderlich sei, urteilten die Richter.

Seither liegt der Fall bei der nächsthöheren Instanz in Weimar.
Rechtsanwalt Dirk Büge aus Duisburg, der die Tierfreunde vertritt,
hält an seiner Auffassung fest. Er führt etwa an, dass laut einer
EU-Richtlinie der Sperrbezirk nur einen Radius von 500 Metern statt
drei Kilometern um Wickersdorf hätte betragen können und damit viel
weniger Tiere hätten sterben müssen. Zudem sei die Tötung nicht
fachgerecht und für die Vögel unnötig qualvoll gewesen, da ein
Präparat verwendet wurde, für das die Tiere hätten betäubt werden
müssen.

Er sei nach wie vor davon überzeugt, dass den Klägern grobes
Unrecht widerfahren ist, sagt Büge. «Seinerzeit zeigte sich, dass
staatlicher Aktionismus nichts mit seriösem Tierseuchenschutz zu tun
hatte, aber dennoch mit großem Eifer auf dem Rücken vermeintlich
wehrloser Bürger ausgetragen wurde.» Die lange Dauer des Verfahrens
sei für die zum Teil betagten Kläger eine zusätzliche Belastung,
moniert er. Zumindest in diesem Punkt verspricht OVG-Sprecher Hüsch
baldige Abhilfe: «Wir bemühen uns, in den nächsten drei Monaten übe
r
die Zulassung der Berufung zu entscheiden.»

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