Zwangsernährung laut BGH rechtswidrig

Eingriff in die körperliche Integrität, der der Einwilligung des Patienten bedarf

Im Streit um die Zwangsernährung eines vor einem Jahr gestorbenen Komapatienten hat der Bundesgerichtshof den Angehörigen nach Auskunft der Anwälte grundsätzlich Recht gegeben. Eine künstliche Ernährung gegen den erklärten Willen eines Patienten sei rechtswidrig, entschied das Gericht nach Angaben der Angehörigenanwälte. In dem Einzelfall sei aber nicht mehr festzustellen gewesen, ob die strafrechtlichen Grenzen einer passiven Sterbehilfe überschritten worden wären. Der Mann war im März 2004 in einem Pflegeheim in Kiefersfelden einem fieberhaften Infekt erlegen. Die Angehörigen hatten den Prozess wegen der Bedeutung auch für andere Patienten dennoch weitergeführt.

Da der Patienten schon tot war, sei nur noch die Kostenfrage geprüft worden. Diese biete keine geeigneten Rahmen, die Frage nach den strafrechtlichen Grenzen im Einzelfall abschließend zu beantworten. Das Gericht ging jedoch von einer grundsätzlichen Bedeutung das Falles aus. «Die mit Hilfe einer Magensonde durchgeführte künstliche Ernährung ist ein Eingriff in die körperliche Integrität, der deshalb der Einwilligung des Patienten bedarf», entschied das Gericht in der von den Anwälten veröffentlichten Begründung vom 8. Juni 2005.

Verlange der Betreuer in Übereinstimmung mit dem behandelnden Arzt, dass die künstliche Ernährung des Patienten eingestellt werde, könne das Pflegeheim diesem Verlangen nicht den Heimvertrag entgegensetzen, heißt es in der Begründung weiter. Auch die Gewissensfreiheit des Pflegepersonals rechtfertige die Fortsetzung der künstliche Ernährung in einem solchen Fall nicht. «Das ist ein wegweisenden Urteil», sagte Anwalt Wolfgang Putz (AZ: XII ZR 177/03).

Der 37-Jährige hatte nach einem Selbstmordversuch im Wachkoma gelegen. Der Vater hatte vergeblich verlangt, das Pflegepersonal solle auf die künstliche Ernährung verzichten und seinem schwerst hirngeschädigten Sohn so einen «würdigen Tod» durch weitgehenden Flüssigkeitsentzug ermöglichen. Er berief sich auf einen vor Jahren vom Sohn klar zum Ausdruck gebrachten Patientenwillen. Der Vater war mit seiner Forderung vor dem Landgericht Traunstein wie auch vor dem Oberlandesgericht (OLG) München unterlegen.

(dpa/lby)