Matratzen für die Mittagspause - Das «Nickerchen»-Geschäft Von Nico Pointner, dpa

12.00 Uhr, Mittagspause. In die Kantine gehen? Einen Kaffee trinken?
Etwas frische Luft schnappen? Wer aus dem Büro kommt, kann sich
neuerdings in Berlin auch eine Runde aufs Ohr legen - im
Schlummer-Studio «Nickerchen».

Berlin (dpa) - Früher musste Irina Ivachkovets um jede kleine Auszeit
kämpfen. Die 34-Jährige war Projektleiterin auf Messen, viel im
Flieger unterwegs oder von früh bis spät im Büro. «Da habe ich
einfach mal meine Yogamatte auf den Boden gepackt und eine
Viertelstunde geschlummert», erzählt sie. Seitdem schwört sie auf
«Power-Napping», das kleine Nickerchen zwischendurch.

In einem geschäftigen Büroviertel in Berlin-Kreuzberg macht
Ivachkovets nun ein Geschäft mit der Auszeit vom Alltag. Zwischen
Cafés und Geschäften hat sie in der hektischen Hauptstadt vor kurzem
das «Nickerchen» eröffnet. 20 Minuten Mittagsschlaf kosten dort acht

Euro, die ganze Stunde 20 Euro. Vor dem Tagträumen wird die Zeit
vereinbart, am Ende sanft geweckt. «Danach kann man einfach sehr
konzentriert und fröhlich an die Arbeit zurückkehren», sagt sie.

«Power-Napping» kennt man bereits von US-amerikanischen Firmen, in
Japan wird die Kunst des Kurzschlafs sogar in der Öffentlichkeit
praktiziert - «Inemuri» nennt sich im Fernen Osten das Nickerchen in
der U-Bahn oder am Arbeitsplatz. Die Stadtverwaltung Vechta sorgte im
Jahr 2000 für Aufsehen mit einem Büroschlaf-Vorstoß: Die Beamten
sollten sich als Teil eines Fitnessprogramms in der Mittagspause auf
Isomatten ausruhen.

Irina Ivachkovets bietet hingegen Siestas in ganz privater
Atmosphäre. Das Licht scheint weich im Schlummer-Studio, der Boden
ist mit flauschigem Teppich ausgelegt. Im Schlafsaal warten zehn
orthopädische Matratzen auf gestresste Büroleute und erschöpfte
Touristen. Ivachkovets hat Kerzen aufstellt, Entspannungsmusik
aufgelegt, Massagen kosten extra.

«Manche lesen, manche machen Notizen, entwickeln Ideen, aber einfach
in einem zurückgezogenen Raum», sagt die studierte
Kulturwissenschaftlerin und Betriebswirtin. Die Bettabteile sind nur
durch dünne, beige Vorhänge getrennt. Wer schlecht zur Ruhe kommt,
erhält Ohrstöpsel und Schlafbrille.

Der Potsdamer Powernapper Uli Barenbrock ist schon das zweite Mal im
«Nickerchen». «Anfangs hab ich das nicht gedacht, dass man wirklich
so abschalten kann, aber nach der Hälfte der Zeit - also nach zehn
Minuten - bin ich immer wieder weggedöst», berichtet der 49-Jährige,

noch ein wenig schlaftrunken. «Ich wäre gerne liegen geblieben.»

«Der Erholungswert kommt weniger über Schlaf als über Abschalten und

Entspannen», erklärt der Regensburger Schlafexperte Jürgen Zulley.
Schon wenige Minuten Mittagsschlaf erhöhten die Leistungsfähigkeit
und senkten das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Beim
Mittagsschläfchen sollte man aber nicht übertreiben - weniger ist
mehr, rät der Forscher. Denn nach einer halben Stunde droht der
Tiefschlaf. «Die Schlaftrunkenheit kann dann länger dauern als das
kurze Nickerchen», sagt der Experte.

Zulley ist selbst überzeugter Mittagsschläfer. Er will für seine
Nickerchen aber kein Geld ausgeben - lieber lehnt er sich in seinem
Bürostuhl zurück und legt die Füße auf seinen Schreibtisch.