Drama in den USA: Das öffentliche Sterben der Brittany Maynard Von Antje Weser und Barbara Munker, dpa

Die 29-jährige Brittany Maynard plant ihren Tod - für den 1.
November. Die todkranke Amerikanerin hat damit die
Sterbehilfe-Debatte in den USA angefacht. Ihr Öffentlichmachen löst
Sympathie aus - aber auch einige Kritik.

Portland (dpa) - Brittany Maynard will keine Interviews mehr geben.
Die 29-Jährige leidet an einem aggressiven Gehirntumor und hat
angekündigt, sie wolle sich voraussichtlich am 1. November selbst
töten. «Im Namen meiner Familie möchte ich Euch für die Welle von
Liebe und Unterstützung danken», schrieb sie in ihrem Blog. Mehr
wolle sie nicht mehr sagen, teilte eine Vertrauensperson per E-Mail
mit.

Im Frühjahr gaben ihr die Ärzte noch sechs Monate zu leben. «Der 1.
November wurde eine Art Datum für mich (...) beinahe eines, bis zu
dem ich es schaffen wollte», sagte Maynard in einem Interview des
Senders CBS. Außerdem wolle sie beim Geburtstag ihres Mannes einige
Tage zuvor dabei sein. Sie hatte ihren Mann Dan Diaz 2012 in
Kalifornien geheiratet. Kurz danach fingen die Kopfschmerzen an, die
Ärzte diagnostizierten einen Tumor in ihrem Gehirn.

Ihr freimütiges Bekenntnis für die Sterbehilfe sorgt in den USA für
Schlagzeilen. Ihr Fall wird in den Nachrichten, in Talkshows und in
der Öffentlichkeit diskutiert. «Die Reaktionen von euch allen haben
unsere kühnsten Erwartungen übertroffen», schreibt die Todkranke auf

ihrer Webseite.

Maynard arbeitet eng mit der Sterbehilfe-Organisation «Compassion &
Choices» im Bundesstaat Oregon zusammen. Nur in fünf US-Bundesstaaten
ist die Sterbehilfe erlaubt. In Oregon trat der sogenannte «Death
with Dignity Act» (Gesetz für ein Sterben in Würde) bereits 1997 in
Kraft. Laut den jüngsten Statistiken der Gesundheitsbehörde haben
seither 1173 Sterbenskranke ein tödliches Betäubungsmittel
verschrieben bekommen. 752 von ihnen hätten sich mit den Medikamenten
dann tatsächlich das Leben genommen. In ihrem Heimatstaat Kalifornien
hätte Maynard keinen Zugang zu Sterbehilfe gehabt.

Dr. Peter Lyon, medizinischer Direktor von «Compassion & Choices»,
sagt, bei Gehirntumoren wie dem von Maynard würden die Symptome -
schwere Kopfschmerzen und Krampfanfälle - immer schlimmer werden.
Patienten verlören ihre mentalen Fähigkeiten und drifteten ins
Delirium und dann in ein Koma. «Es ist sehr mutig von ihr, mit ihrer
Krankheit an die Öffentlichkeit zu treten», meint der Arzt.

Trotz aller Sympathie für die Todkranke gibt es auch Menschen, die
Manyards sehr öffentlichen Weg zur Sterbehilfe kritisch sehen. Etwa
Carolyn McMurray von der Organisation «True Dignity Vermont». Sie
kritisiert, dass bei der Selbsttötung kein Arzt anwesend sei.

Dem Sterbehilfegesetz in Oregon zufolge muss der unheilbar kranke
Patient die tödliche Dosis selbst einnehmen, der Arzt darf dabei
nicht helfen. Aktive Sterbehilfe ist in den USA verboten. Aber die
Beihilfe zur Selbsttötung, indem tödliche Mittel zur Verfügung
gestellt werden, ist in einer Handvoll Staaten - wie in Oregon und
Vermont - erlaubt.

Kritikerin McMurray meint, angesichts der vielen Berichte über
Misshandlungen von älteren Pflegebedürftigen bringe diese Regelung
Gefahren. Pflegekräfte oder Angehörige könnten sie missbrauchen. «W
as
soll sie davon abhalten, jemanden dazu zu zwingen, oder die
Medikamente ins Apfelmus zu mischen?»

Sie sorgt sich auch, dass der Druck auf Maynard nun zu groß sein
könnte für den Fall, dass die Kranke es sich noch einmal anders
überlegen könnte. «Ich frage mich, wie viel Angst hat sie nun, es
nicht zu machen?»

Brittany Maynard selbst ist sich dieser Kritik bewusst: Es gebe ein
Missverständnis, sagte sie CBS. Sie hätte das Gefühl, dass jene, die

gegen ihre Entscheidung seien, ihre Ankündigung zu einem Stichtag
stilisiert hätten. «Ich könnte am 2. November noch am Leben sein.
Oder auch nicht. Und das ist meine Entscheidung.»

Sie hat ihren Tod jedenfalls genau geplant. Sie will in ihrem Ehebett
sterben, mit ihrem Mann und ihrer engsten Familie an der Seite. Das
tödliche Betäubungsmittel hat sie schon. «Ich weiß, dass es da ist,

wenn ich es brauche», sagt sie in einem YouTube-Video. Auch ihrem
Mann helfe es, dass sie ihren Todeszeitpunkt wählen könne. «Es gibt
mir Erleichterung und Trost, dass die Möglichkeit da ist», sagt auch
Dan Diaz. Seine Frau hat vor allem diesen Wunsch: «Ich hoffe, dass
ich in Frieden sterben werde.»