Gesundheitskarte kommt trotz Streits voran - Regelmäßiger Austausch

Politiker versprechen seit Jahren Verbesserungen durch die
Gesundheitskarte - zu merken ist davon bisher wenig. Mit dem Bau der
dazugehörigen Datenbahn soll sich das ändern. Künftig müssen die
Karten wohl immer wieder ausgetauscht werden.

Berlin (dpa) - Trotz anhaltender Bedenken gegen die elektronische
Gesundheitskarte
(eGK) treibt die Industrie die Datenbahn für den
erhofften Online-Mehrwert des Milliardenprojekts voran. «Derzeit wird
die Infrastruktur aufgebaut», sagte Arno Elmer, Geschäftsführer der
Gematik, einer Gesellschaft unter Trägerschaft der Krankenkassen,
Ärzte, Kliniken und Apotheker, der Nachrichtenagentur dpa in Berlin.
«Die beteiligten Industrieunternehmen bauen die Technik auf.»

Zwar sind die allermeisten Versicherten mit der eGK ausgestattet.
Doch kann diese ohne neue Technik zum Datenaustausch zwischen Ärzten,
Kliniken und Apotheken nicht viel mehr als die alte Karte. Auch diese
ist noch im Umlauf. Derzeit ringen der Krankenkassen-Spitzenverband
und die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) um eine Lösung für
die drei bis acht Prozent der gesetzlich Versicherten mit alter
Karte. Nach bisherigen Plänen sollte sie ab 30. September ungültig
werden. Nun werden Übergangsregelungen erwogen, hieß es.

Die Kosten für das Gesamtprojekt steigen laut den Kassen 2014 auf
rund eine Milliarde Euro. Nach dem Bau der «Autobahn» für
Gesundheitsdaten 2015 könnten IT-Unternehmen Anwendungen womöglich ab
2016 anbieten, so Elmer. Die qualifizierte elektronische Signatur,
eine E-Unterschrift, sei der Anfang. «Heute drucken Ärzte einen Brief
aus, unterschreiben ihn, scannen ihn ein und mailen ihn dann.»
Weitere Anwendungen beträfen etwa die Sicherheit von Arzneitherapien:
Hier sollen Wechselwirkungen bei mehreren Pillen vermieden werden.

Die KBV warnte vor Mehraufwand. «Bei der eGK wurden die Aspekte
Sicherheit und Wartung unterschätzt», sagte der Vorsitzende Andreas
Gassen der dpa. «Es ist ein mögliches Szenario, dass die Karte immer
wieder ausgetauscht werden muss.» Laut den Krankenkassen und der
Bundesregierung ist klar, dass die Karte immer mal wieder
ausgetauscht werden müsse. Die sei aber keineswegs ein Indiz für
mangelnde Sicherheit, sagte Kassenverbands-Sprecherin Ann Marini.

«Um sicherzustellen, dass die Karte stets den neuen und höchsten
Sicherheitsstandards entspricht, werden die Zertifikate für die eGK
vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) immer
nur auf bestimmte Zeit vergeben», erläuterte Marini. Ein erster
Austausch werde dadurch 2017 nötig.

Vor allem für ältere Patienten mit mehreren Krankheiten und
Medikamenten würden die Anwendungen interessant, sagte Elmer. Er warb
deshalb dafür, «dass auch die Pflegeberufe an die
Telematikinfrastruktur angebunden werden». Im Endausbau werde es rund
200 000 Anschlusspunkte etwa in Praxen und Apotheken geben.

Die Kassen und Ärzte hatten sich vor wenigen Wochen gegenseitig mit
Vorwürfen rund um den Aufbau der Karten-Technologie belegt. Minister
Hermann Gröhe (CDU) will das Milliardenprojekt nun per Gesetz
antreiben. Bis Jahresende will er den Entwurf für ein E-Health-Gesetz
vorlegen. Gemessen an früheren Plänen ist es seit Jahren überfällig.

Die Linke warf der Regierung bei der eGK Ahnungs-, Verantwortungs-
und Rücksichtslosigkeit vor. Ihre Expertin Kathrin Vogler forderte
eine Neukonzeption mit dezentralen Speicherlösungen, etwa USB-Sticks
oder Speicherkarten - die Daten blieben bei den Versicherten.

Laut einer aktuellen Studie der Universität Augsburg, die der dpa
vorlag, haben die massiven Vorbehalte in der Ärzteschaft gegen die
eGK mehrere Ursachen: etwa Misstrauen gegenüber der Datensicherheit
oder der Wunsch, die Arbeit einfach so zu machen wie immer.

Industrievertreter zeigen sich optimistisch. Behandlungsprozesse
würden mit intelligenter IT optimiert - «auf höchstem
Sicherheitsniveau und für eine optimale, am Patientenwohl orientierte
Versorgung», sagte der Geschäftsführer des Verbands der IT-Anbieter
im Gesundheitswesen (bvitg), Ekkehard Mittelstaedt, der dpa.