Verband will mit Musterklagen in Karlsruhe bessere Pflege erzwingen

Einen ungewöhnlichen Weg geht der Sozialverband VdK, um die Zustände
in der Pflege zu verbessern: Er will per Klage in Karlsruhe
Mindeststandards festlegen lassen. Ob der angekündigte Vorstoß Erfolg
haben wird, ist aber umstritten.

Berlin (dpa) - Der Sozialverband VdK will mit einer Klage beim
Bundesverfassungsgericht schnelle Reformen im deutschen Pflegesystem
erzwingen. Karlsruhe soll über zehn Musterklagen gegen die
«grundrechtswidrigen Zustände» in der Pflege entscheiden und damit
für mehr Hilfe und bessere Betreuung für Senioren sorgen, sagte
VdK-Präsidentin Ulrike Mascher der «Süddeutschen Zeitung»
(Donnerstag). Laut einer Sprecherin ist die Klageschrift aber noch
nicht verfasst, auch die benötigten Kläger seien noch nicht gefunden.
Der VdK plant, Karlsruhe im Sommer anzurufen.

Der Verband mit 1,7 Millionen Mitgliedern wolle «gesetzgeberisches
Unterlassen» rügen: 20 Jahre nach Einführung der Pflegeversicherung
solle die Politik grundlegende Reformen nicht nur ankündigen, sondern
auch umsetzen. Bislang seien Gesetzesänderungen nur immer weiter
hinausgeschoben worden. Ziel der Klage sei es, dass Menschen in
Deutschland künftig «in Würde altern» könnten, sagte Mascher der

Zeitung.

Die schwarz-rote Bundesregierung hat zwar eine große Pflegereform
angekündigt - die Missstände seien aber seit vielen Jahren bekannt
und von diversen Expertenbeiräten analysiert und kritisiert worden,
eine Reform sei gleichwohl ausgeblieben, erklärte die
VdK-Präsidentin. Es gelte nun, in Karlsruhe einen Mindeststandard an
Pflege sicherzustellen und grundlegende Verbesserungen auch für
Demenzkranke einzuklagen. Die häusliche Pflege solle ebenfalls
stärker gefördert werden.

Bayerns Pflegeministerin Melanie Huml (CSU) zeigte Verständnis für
die Sorgen, verwies aber auf die Reformpläne der Bundesregierung. «Im
Koalitionsvertrag auf Bundesebene ist bereits vereinbart worden, die
Versorgung von Pflegebedürftigen weiter zu verbessern. Die
entsprechenden Maßnahmen müssen nun rasch umgesetzt werden.»

Die Opposition im Bundestag unterstützte die Forderungen und
kritisierte die Bundesregierung: «Aus groß angekündigten Reformen
wurden immer wieder nur kleine Nachbesserungen am bestehenden
System. Grundlegende Missstände, wie die mangelnde Versorgung
Demenzkranker, blieben bestehen», teilte die Grünen-Pflegeexpertin
Elisabeth Scharfenberg mit. Für die pflegepolitische Sprecherin der
Linken, Pia Zimmermann, ist die Klageankündigung als «Zeichen des
vehementen Protests gegen die politische Lethargie im Bereich Pflege
zu verstehen».

Üblicherweise wird in Karlsruhe gegen ein bestehendes Gesetz geklagt
- in diesem Fall soll nun ein neues, grundrechtsschützendes Gesetz
eingeklagt werden, wie es hieß. Zu den Erfolgsaussichten äußerte sich

der Paritätische Gesamtverband, in dem auch der VdK organisiert ist,
zurückhaltend: «Ob nun das juristische Verfahren über das
Bundesverfassungsgericht zielführend sein wird, das bleibt
abzuwarten, da kann man skeptisch sein», sagte der Vorsitzende Rolf
Rosenbrock in Berlin. Grundsätzlich unterstütze der Verband die
Klagen aber.