Hunderttausendfach negative Bescheide für Krankenversicherte Von Basil Wegener, dpa

Krankenkassen werben oft in glänzenden Broschüren für ihre
Leistungen. Viele Versicherte machen eine andere Erfahrung -
Krankschreibungen etwa werden oft nicht anerkannt.

Berlin (dpa) - Krankenversicherte in Deutschland bekommen in
hunderttausenden Fällen negative Bescheide zu Leistungen wie
Krankengeld, Reha oder Hilfsmitteln. Das geht aus Daten des
Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) hervor, die der
Deutschen Presse-Agentur (dpa) in Berlin vorliegen.

So gab es im vergangenen Jahr in rund 1,5 Millionen Fällen von den
einzelnen Kassen initiierte MDK-Gutachten zu ärztlich festgestellter
Arbeitsunfähigkeit, wie der Medizinische Dienst des
GKV-Spitzenverbands mitteilte. In 16 Prozent der Fälle urteilte der
MDK, dass die Arbeitnehmer wieder arbeiten könnten. Bei fast 700 000
Prüfungen zu Reha-Leistungen kamen die MDK-Ärzte in 39 Prozent der
Fälle zu dem Ergebnis: medizinische Voraussetzungen nicht erfüllt.

Für Hilfsmittel wie zum Beispiel Hörgeräte wurden fast 500 000
Gutachten geschrieben - negative Urteile gab es bei 37 Prozent.

Die Präsidentin des Sozialverbands VdK, Ulrike Mascher, sagte der
dpa, Patienten sollten sich «auf keinen Fall damit zufriedengeben,
wenn der MDK ein Hörgerät über den Festbetrag ablehnt oder eine
Reha-Leistung». Problematisch sei, dass Entscheidungen zur
Arbeitsunfähigkeit oft nach Aktenlage getroffen würden. «Bei Menschen

mit psychischen Erkrankungen ist das fatal.» Man könne Widerspruch
einlegen, der behandelnde Arzt könne ein zweites Gutachten
einfordern.

Die Unabhängige Patientenberatung Deutschland (UPD) hatte bereits
mit ihrem Jahresbericht im Sommer auf die Vielzahl solcher Fälle
hingewiesen. Laut UPD, Verbraucherzentrale und VdK haben viele
Berater den Eindruck, dass es im Gegensatz zu früher vermehrt Fälle
gibt, in denen Kassen den Versicherten Krankengeld oder andere
Leistungen nicht gewähren wollten. Die Kassen können den MDK zu
Gutachten beauftragen. Zahlen darüber, bei wie vielen Menschen die
Versicherung dann etwa eine Krankschreibung aufhebt, gibt es laut
GKV-Spitzenverband nicht.

Die UPD-Beraterin Judith Storf sagte der dpa über solche Fälle bei
psychischen Erkrankungen: «Der Leidensdruck dieser Betroffenen ist
relativ hoch.» Oft komme es vor, dass Krankenkassen Betroffene
zuhause anriefen, um sie wieder zum Arbeiten zu bewegen. Dörte Elß,
Beraterin der Verbraucherzentrale Berlin, sagte der dpa: «Was nicht
geht, ist das ständige Anrufen.» Versicherte könnten sich aber Anrufe

von Sachbearbeitern einer Krankenkasse verbitten und schriftliche
Mitteilungen verlangen. Elß meinte, es könne aber auch etwas Gutes
haben, wenn sich eine Kasse um eine zügige Genesung kümmere.

Der Geschäftsführer des Medizinischen Diensts des
GKV-Spitzenverbands, Peter Pick, wies darauf hin, dass die
begutachteten Fälle seit 2010 bei Arbeitsunfähigkeit, Reha und
Hilfsmitteln leicht gesunken seien. Die Gutachten würden sorgfältig
erstellt, sagte er der dpa. Menschen, die psychische Leiden hätten,
wieder in die Arbeitswelt zu integrieren, habe oft auch einen guten
Effekt. Bei Leistungen wie Hilfsmitteln sei es oft so, dass es statt
des ursprünglich vorgesehenen Produkts ein anderes oder etwa eine
Physiotherapie gebe.