Badespaß in brauner Brühe in Wilhelmshaven Von Irena Güttel, dpa

Als die «Kot d'Azur» am Jadebusen wurde Wilhelmshaven bereits
verspottet. Wenn die Kanalisation bei Regen vollläuft, leitet die
Stadt ihre ungeklärten Abwässer in die Bucht - direkt am Badestrand.
Eine Bürgerinitiative will den Fluss der braunen Brühe nun stoppen.

   Wilhelmshaven (dpa) - Im Sommer reiht sich am Südstrand von
Wilhelmshaven ein Strandkorb an den anderen. Ausflügler flanieren auf

der Promenade, Schwimmer planschen in den Fluten. Doch wenn der
Bademeister trotz spiegelglatter See die rote Fahne hisst, trübt sich
der Badespaß. Nur wenige Meter vom Strand entfernt spuckt ein Rohr
braune Brühe in die Bucht - ungeklärte Abwässer, die die überlastet
e
Kanalisation der Stadt nicht mehr fassen kann.

   Bei starkem Regen - wie an der Küste nicht unüblich - läuft
die
Kanalisation rasch voll. Damit Keller und Straßen nicht absaufen,
pumpt die Stadt das schmutzige Gemisch in die Nordsee. Alles, was in
der Südstadt heruntergespült wird, landet quasi bei Monika Giesche-
Emmerich vor der Haustür. Die Anwohnerin ging früher regelmäßig an

dem Strand baden. Doch seit einmal eine Slipeinlage an ihr
vorbeitrieb, meidet sie die Stelle. «Ich schwamm mittendrin im Mist»,
erzählt sie. Die «Süddeutsche Zeitung» schrieb schon spöttisch vo
n
der «Kot d'Azur» am Jadebusen.

   Szenen, wie sie Touristen in den 90er Jahren am Gardasee und der
italienischen Adria erlebten, will Giesche-Emmerich zu Hause nicht
länger dulden. Deshalb gründete sie mit einigen Nachbarn die
Bürgerinitiative «Kaiserliche Kanalarbeiter», die seither für den
Stopp der unappetitlichen Einleitungen kämpft. «Die Stadt hat
jahrelang die Augen vor dem Problem verschlossen.»

   Ein Problem sieht Umweltdezernent Jens Graul dagegen nicht - weder

ein gesundheitliches für die Schwimmer noch für die Natur in der
Bucht. «Der Jadebusen gehört zu den Gewässern mit der höchsten
Regenerationsfähigkeit. Er ist in der Lage, das zu verkraften.» Die
Abwässer seien außerdem stark verdünnt. Die Proben, die das
Gesundheitsamt alle zwei Woche nahe des Badestrands zieht, ergäben
nie eine hohe Bakterienbelastung.

Eine andere Geschichte erzählt dagegen das Badeverbot, das während
der Einleitungen gilt. 2007 musste die Stadt den Südstrand sogar nach
einem heftigen Platzregen sperren. Daraufhin beschloss der Rat, dass
künftig weniger Schmutzwasser ins Meer sprudeln darf. Eine neue
Pumpensteuerung soll bis Ende des Jahres dafür sorgen, dass die Zahl
der Einleitungen um die Hälfte sinkt. Außerdem bauten die
Entsorgungsbetriebe ein Feinsieb ein. «Die dicken Brocken schwimmen
schon lange nicht mehr an den Badenden vorbei», betont Graul.

Giesche-Emmerich reicht das nicht aus. «Das Feinsieb ist eine
weitere Vertuschung, weil es den Mist nur zerteilt. Man sieht ihn
nicht mehr so deutlich, aber man riecht ihn noch.» Sie fordert, dass
die Stadt ihr Kanalnetz vollständig erneuert, damit Abwässer und
Regen getrennt gesammelt werden können.

Bis Ende August musste Wilhelmshaven 27 Mal die Abwasser-Schleusen
öffnen. Sogenannte Mischwassersysteme sind in Deutschland nichts
Ungewöhnliches, jedoch scheint die Lage in anderen Orten nicht so
dramatisch zu sein wie am Südstrand von Wilhelmshaven.

Im nahe gelegenen Varel kommt es zum Beispiel so gut wie nie vor,
dass Abwässer im Jadebusen entsorgt werden müssen. «Da müsste schon

die Welt untergehen», sagte Lutz Timmermann vom Oldenburgisch-
Ostfriesischen Wasserverband, der in der Gemeinde zuständig ist. In
den vergangenen fünf Jahren kann er sich nicht an einen einzigen Fall
erinnern.

Große Speicherbecken fangen bei Regen nämlich die Wassermassen in
der Kommune auf. Außerdem baut der Verband dort schon seit längerem
neue Kanäle. «Mischwassersysteme gelten als veraltet», erläutert
Timmermann. Wilhelmshaven will seine Kanalisation dennoch nicht
erneuern. Eine Umstellung sei wirtschaftlich nicht darstellbar, heißt
es aus dem Rathaus.

Dass die Touristen wegbleiben, fürchtet die Stadt trotz negativer
Schlagzeilen nicht. Die Urlauber würden sowieso die weißen
Sandstrände ganz oben im Norden bevorzugen, sagen die Touristiker im
Ort.

# dpa-Notizblock

## Internet
- [Pressemitteilung zur Mischwassereinleitung](http://dpaq.de/z9lUd)
- [Infos zum Südstrand](http://dpaq.de/2amYj)
- [Bürgerinitiative](http://dpaq.de/fJXb7)

## Orte
- [Promenade](Südstrand 110, Wilhelmshaven)